Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Praxisführung

In der Studie mit dem Titel „Fühlst Du Dich gut behandelt?“ unter der Leitung von Prof. Dr. Sabine Hammer, Dekanin des Masterstudiengangs Therapiewissenschaften an der Hochschule Fresenius, beantworteten mehr als 1.000 Personen einen standardisierten Fragebogen zu ihren Erwartungen und Erfahrungen bezüglich einer ambulanten Behandlung. Erfragt wurden Verhalten und Kompetenz der Behandelnden sowie Maßnahmen und Behandlungsergebnis. Die Studie zeigt, welche Faktoren den wahrgenommenen Behandlungserfolg beeinflussen und welche Berufsgruppe aus Sicht der Patienten die beste Behandlungsqualität bietet.

Nehmen Ärzte Patienten nicht ernst?

Die untersuchten Berufsgruppen schneiden in den Bewertungen sehr unterschiedlich ab. Von Ärzten fühlen sich Patientinnen und Patienten oft nicht ausreichend ernst genommen. Sehr zufrieden zeigten sich die Befragten hingegen mit der Behandlung durch Heilpraktiker. Zu lange Wartezeiten auf einen Behandlungstermin wurde aber allen attestiert.

„Die Ergebnisse haben uns überrascht, insbesondere das sehr gute Abschneiden der Heilpraktiker“, so Professorin Hammer. „Bei der ärztlichen Behandlung ist der Unterschied von Erwartung und Erfahrung bei dem Faktor ‚ich fühle mich ernst genommen‘ und bei der Aufklärung besonders hoch.“ Insgesamt wird der Wunsch nach mehr Zuwendung durch den Arzt deutlich. Therapeuten (Physio- und Ergotherapeuten, Logopäden) schneiden insgesamt ebenfalls besser ab als Ärzte, doch auch bei ihnen scheint in der Kommunikation noch Luft nach oben zu sein: In Teilen fühlen Patienten sich nicht genug über ihre Erkrankung und die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten informiert.

Patienten mit Ergebnissen bei Heilpraktikern zufrieden

Zu Erwartungen und Erfahrungen mit Heilpraktikern hatten sich nur rund 120 der Befragten geäußert. Von ihnen wurde die Transparenz in der Abrechnung sowie das Einhalten von Kompetenzgrenzen kritisch bewertet. Die Zufriedenheit mit den Behandlungsergebnissen fiel in dieser Gruppe jedoch positiver aus als bei den Ärzten. Dafür gibt es vor allem eine psychologische Erklärung: „Wir gehen davon aus, dass die Faktoren Kommunikation, Zeit und Ganzheitlichkeit eine große Rolle spielen sowie der Umstand, dass die Menschen den Heilpraktikerbesuch in der Regel selbst zahlen“. Während ein Termin beim Heilpraktiker rund 60 Minuten dauert, nehmen sich Ärzte durchschnittlich 7,5 Minuten Zeit pro Patient.

Experten sehen Handlungsbedarf

Die Studienergebnisse wurden am 26. September 2020 im Rahmen eines wissenschaftlichen Symposiums erstmals öffentlich vorgestellt und in einer Diskussionsrunde mit Ursula Hilpert Mühlig, Präsidentin des Fachverbandes deutscher Heilpraktiker, Gregor Bornes, Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft Patienten und Patientenvertreter im Gemeinsamen Bundesausschuss, Bernd Scheliga, Beirat des Berufsverbandes Physio Deutschland, Dr. Yael Adler, Ärztin für Haut- und Geschlechtskrankheiten, sowie Prof. Dr. med. Joachim Latsch, Professor für Präventions- und Bewegungsmedizin an der Hochschule Fresenius in Köln, vertieft.

Dass Erwartung und Erfahrung oft nicht übereinstimmen, ergibt einen klaren Verbesserungsbedarf. Nach Professor Latsch sind Taktung und Zeitmangel in der ärztlichen Versorgung „ein großes Problem“. Bernd Scheliga sieht lange Wartezeiten auf Termine bei den Therapeuten im Zusammenhang mit dem Fachkräftemangel. „Hier müssen wir an der Berufsattraktivität arbeiten, um den steigenden Bedarf an Heilmitteln in Zukunft decken zu können.“ Das vergleichsweise gute Abschneiden der Heilpraktiker bewertet Professorin Hammer so: „Auch wenn heilpraktischen Behandlungen in der Regel die wissenschaftliche Grundlage fehlt, gibt die Studie Hinweise, dass Heilpraktiker das Bedürfnis nach Zuwendung und individueller Betrachtung, was in der ärztlichen Versorgung oft zu kurz kommt, besser erfüllen.