Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Praxis

Die Debatte über private Investitionen im Gesundheitswesen geht weiter. Neben den Gesundheitsministern der Länder fordert auch der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Spitzenverband) strengere Regeln. „Bei der Gründung und dem Betrieb von MVZ darf es keine Rosinenpickerei geben. Sie müssen das leisten, was die Patientinnen und Patienten brauchen und nicht einfach das, was für sie am lukrativsten ist“, sagt Stefanie Stoff-Ahnis, Vorstandsmitglied des GKV-Spitzenverbandes.

Einen wertvollen Beitrag zur Versorgung sieht sie dennoch in den MVZ. „Denn sie haben das Potenzial, mit gebündelter Kompetenz und kooperativer Zusammenarbeit mehrerer Ärztinnen und Ärzte an einem Ort und ohne lange Wege für die Patientinnen und Patienten da zu sein.“

11,7 % der Niedergelassenen haben ein Übernahmeangebot für die Praxis

Das Interesse an der Umwandlung von Arztpraxen in MVZ ist in jedem Fall groß. Laut aktueller Befragung der Stiftung Gesundheit haben bereits 11,7 % der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte ein Übernahmeangebot eines Investors erhalten. „Und mehr als ein Drittel aller Ärzt:innen würde ein solches Angebot in Erwägung ziehen, sofern die Konditionen stimmen“, berichtet Forschungsleiter Prof. Dr. med. Dr. rer. pol. Konrad Obermann.

Facharztpraxen sind bei Investoren beliebt

Besonders gefragt sind den Angaben zufolge Facharztpraxen: Rund jeder sechste Facharzt (17,1 %) war schon einmal im Gespräch mit Investoren wegen einer Übernahme. Bei Zahnärzten sind es 14,8 %, bei Hausärzten 12,6 Prozent. Deutlich geringer ist das Interesse an Praxen von Psychologischen Psychotherapeuten: Hier haben bisher nur rund 4 % ein entsprechendes Angebot erhalten.

Tatsächlich ist die Vorstellung, von einem Investor aufgekauft zu werden, nicht für alle Niedergelassenen ein Horrorszenario. Von den Ärzten, die bereits ein Angebot bekommen haben, zeigt sich gut ein Drittel aufgeschlossen für eine Praxisübernahme durch Investoren. 8,5 % haben das ihnen vorliegende Angebot angenommen, weitere 25,5 % hätten dies getan, wenn die Konditionen gestimmt hätten. 66 % lehnten das Angebot ab. Bezogen auf die Grundgesamtheit hat damit 1 %  der niedergelassenen Ärzte ihre Praxis bereits an einen Investor verkauft.

Und es könnten noch mehr werden. Von den Praxisinhabern, die noch kein Angebot erhalten haben, gaben fast 40 % an, prinzipiell interessiert zu sein – vorausgesetzt, dass die Konditionen stimmen. Dass das allerdings häufig nicht der Fall ist, zeigen sowohl die geringe Quote der tatsächlich angenommenen Angebote als auch zahlreiche Freitextantworten (Beispiel: “Die mir bekannten Angebote von Investoren decken den tatsächlichen Wert [der Praxis] nur zu einem erschreckend kleinen Teil ab.”).

Interessant für Investoren sind offenbar auch die Bereiche Ergotherapie und Physiotherapie. Hier haben 8,8 % bzw. 8,7 % der Befragten bereits ein Angebot erhalten.

Pro oder kontra Verkauf an Investoren?

Darüber, ob die Entwicklung positiv oder negativ ist, gibt es also offenbar unterschiedliche Ansichten. Forschungsleiter Obermann spricht sich für einen sorgsam abgewogenen Mix aus marktlichen und staatlichen Elementen aus, der es ermöglicht, Ressourcen sinnvoll und wirtschaftlich zu nutzen. „Und zwar ohne sich dabei inhaltlich in die Therapieentscheidungen der Ärzte einzumischen.“ Finanz-Investoren seien dabei ebenso wenig Heilsbringer wie die Praxis in Privatbesitz ein Garant für Leistung und Qualität sei. „Und spätestens da, wo sich kein Nachfolger für eine Praxis finden lässt, ist ein Verkauf an einen Investor möglicherweise auch für die betroffenen Patienten eine bessere Lösung als eine komplette Schließung.“