Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Praxisübergabe
Inhaltsverzeichnis

Vor dem Praxisverkauf: Wie wird der Praxiswert ermittelt?

 

 

 

Vor dem Praxisverkauf steht für Arzt oder Zahnarzt immer das Thema Praxiswertermittlung. Grundsätzlich bestimmt sich der Praxiswert aus der Addition von Substanzwert und ideellem Goodwill. Die Ermittlung des Praxiswertes kann allerdings anhand verschiedener Methoden erfolgen, die zum Teil zu unterschiedlichen Ergebnissen führen.

Neu seit 2025: Je nach Komplexität der Praxis kommen unterschiedliche Verfahren zur Anwendung. Gängig sind das modifizierte Ertragswertverfahren, das modifizierte Homburger Verfahren und – bei größeren Einheiten – das IDW S1-Verfahren nach betriebswirtschaftlichem Standard. Ein kurzes Methodenverständnis verhindert Fehleinschätzungen auf beiden Seiten.

Darüber hinaus gewinnen auch digitale Aspekte zunehmend an Bedeutung. Dazu zählen etwa der Digitalisierungsgrad der Praxis (z. B. Anbindung an die Telematikinfrastruktur, ePA, eRezept, Videosprechstunden) sowie die Online-Reputation (z. B. Google- oder Jameda-Bewertungen). Diese wirken sich nachweislich auf die Patientenbindung und somit auf den Wert der Praxis aus.

Praxiswertermittlung nur mit Gutachter oder Sachverständigem

Weil Praxisverkäufer und Käufer zudem meist unterschiedliche – und oftmals auch unrealistische – Vorstellungen vom Wert der Praxis haben, braucht es an dieser Stelle einen neutralen Gutachter. Die Praxiswertermittlung erledigt im Idealfall ein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger. Auch ein Steuerberater oder Rechtsanwalt kann als Berater bei der Praxisabgabe hilfreich sein. Letztlich gilt aber, dass der Praxiswert eben derjenige ist, der am Markt tatsächlich erzielbar ist. Und der kann vom Ergebnis der Praxisbewertung doch ziemlich abweichen.

Welche Faktoren bestimmen den Wert der Arztpraxis?

Wenn es um den Wert einer Arztpraxis oder Zahnarztpraxis geht, spielen neben dem Umsatz zahlreiche mindernde oder erhöhende Faktoren eine Rolle. Dazu gehören unter anderem:

  • Alter und Ruf der Praxis;

  • Privatanteil und Patientenstruktur;

  • Lage der Praxis;

  • Ansiedlung der Praxis (Gebäudezustand, Etage, Fahrstuhl etc.);

  • Größe und Raumaufteilung der Praxisräumlichkeiten;

  • Laufzeit und Gestaltung des Praxismietvertrages;

  • Verkehrsanbindung;

  • Arztdichte (Konkurrenzsituation, potenzielle Zuweiser);

  • Kooperationsverträge, die übernommen werden können;

  • Parkplätze;

  • Apotheke in der Nähe;

  • Klinikstandorte;

  • Praxisstruktur;

  • Notdienstsituation;

  • Abgabezeitpunkt.

Auch digitale Komponenten wie Praxissoftware, Videosprechstunden, ePA-Infrastruktur oder automatisierte Terminbuchung beeinflussen zunehmend den Praxiswert.

Umsatz ist nicht das Wichtigste beim Praxisverkauf

Je nachdem, wie die Antwort auf die dazugehörigen Fragen ausfällt, schwankt auch der Praxiswert respektive der Preis. Nicht jeder Punkt lässt sich 1:1 in Umsatz umrechnen. Aber es ist nun mal so, dass Patienten Arztpraxen mit ausreichenden Parkplätzen und einer Apotheke in unmittelbarer Nähe besonders schätzen. Für den potenziellen Käufer ist natürlich auch die Konkurrenzsituation wichtig, ebenso wie die Details rund um die Praxisräumlichkeiten.

Käufer und Verkäufer benötigen professionelle Unterstützung durch einen Gutachter, um die Auswirkungen der einzelnen Punkte auf den Praxiswert richtig einzuschätzen. Ein entsprechendes Gutachten in Auftrag zu geben, kann für die Praxisbewertung daher nur empfohlen werden. Das sogenannte Goodwill, also die immateriellen Werte, dürfen bei keiner Methode zur Berechnung des Preises unterschätzt werden.

Nachfolgesuche für die Arztpraxis

Mindestens genauso wichtig ist für den Arzt oder Zahnarzt aber natürlich auch die Nachfolgersuche. Was viele Niedergelassene unterschätzen: Sie benötigt ausreichend Zeit! Mit einer Arztpraxis ist es genau wie mit jedem anderen Unternehmen: Der geeignete Kandidat muss Know-how und Kapital mitbringen. Und man möchte sein Lebenswerk ja in gute Hände übergeben. Dazu kommt, dass der Praxisinhaber nicht allein entscheidet. Das letzte Wort hat immer der Zulassungsausschuss. Da kann es nicht schaden, nicht nur einen, sondern mehrere geeignete Kandidaten vorzuschlagen.

Studien der apoBank zeigen, dass die durchschnittliche Nachfolgesuche aktuell bis zu 24 Monate dauern kann – vor allem in ländlichen Regionen. Eine frühzeitige Planung ist daher unerlässlich.

Der geeignete Zeitpunkt für den Praxisverkauf

Über den geeigneten Abgabezeitpunkt können sowohl persönliche als auch finanzielle Überlegungen entscheiden. Diese Gedanken sollte sich der Praxisinhaber frühzeitig machen:

  • Wie hoch sind die zu erwartenden Bezüge durch das Versorgungswerk?

  • Welche Altersabsicherungen bestehen, ab wann und in welcher Höhe können diese bezogen werden?

  • Bestehen noch Verbindlichkeiten oder sind alle Finanzierungen abgeschlossen?

  • Wie hoch wird der persönliche monatliche Bedarf nach der Abgabe eingeschätzt?

  • Gibt der Markt wirklich her, was die Bewertung ergeben hat?

  • Wie hoch ist die steuerliche Belastung beim Verkaufserlös?

Wer älter als 55 Jahre ist oder wegen Krankheit ausscheidet, kann unter bestimmten Voraussetzungen einen Freibetrag nach § 16 EStG geltend machen. Alternativ hilft die Fünftelregelung (§ 34 EStG), um die Steuerprogression beim einmaligen Verkaufserlös abzufedern. Frühzeitige steuerliche Beratung ist Pflicht.

Praxisverkauf in gesperrten Gebieten

Der Praxisverkauf in gesperrten bzw. zulassungsbeschränkten Gebieten stellt alle Beteiligten vor zusätzliche Herausforderungen. In diesen Fällen ist eine Ausschreibung durch die zuständige KV verpflichtend.

Dafür sollten sechs bis acht Monate eingeplant werden. Der Praxisabgeber verzichtet unter Vorbehalt auf die Zulassung. Die KV schreibt den Sitz aus, Bewerber bewerben sich, der Abgeber führt mit allen Gespräche – hat aber kein Entscheidungsrecht. Den Zuschlag vergibt der Zulassungsausschuss.

Übergabe der Arztpraxis an den Käufer

Bei der Übergabe an den Nachfolger gilt es folgende Punkte zu beachten:

  • Bestehende Arbeitsverhältnisse werden gemäß § 613a BGB übernommen;

  • Mietvertrag und Nebenkonditionen klären;

  • Verträge wie Telefon, Leasing, Wartung prüfen;

  • Einrichtungsgegenstände ggf. separat aufführen;

  • Patient:innen ggf. informieren;

  • Datenschutz bei der Patientenkartei wahren;

  • Versicherungen anpassen oder kündigen;

  • Vertretungsregelung mit Abgeber regeln.

Für die Übertragung von Patientendaten kann eine Datenschutzfolgeabschätzung nach DSGVO erforderlich sein. Bei Praxisfortführung am selben Ort kann eine pauschale Übernahme gemäß § 9 Berufsordnung erfolgen – idealerweise durch ein standardisiertes Formular dokumentiert.

Was gilt bei Schwangerschaften kurz vor Praxisabgabe?

Seit 1. Juni 2025 haben auch Frauen, die eine Fehlgeburt ab der 13. Schwangerschaftswoche erleiden, Anspruch auf Mutterschutz – mit zwei bis acht Wochen Schutzfrist. Diese Regelung betrifft sowohl selbständige Ärztinnen als auch Praxisübernehmerinnen, die im Rahmen eines Übergangsmodells mitarbeiten. Der gesetzliche Schutz gilt unabhängig vom Beschäftigungsstatus.

Wie funktioniert eine Praxisauflösung?

Wenn kein Nachfolger gefunden wird, muss die Praxis abgewickelt werden:

  • Patientenkartei zehn Jahre aufbewahren oder unter Einwilligung übergeben;

  • Mietverträge fristgerecht kündigen;

  • Geräte verkaufen oder fachgerecht entsorgen;

  • KV-Zulassung zurückgeben (Fristen beachten);

  • Praxissoftware und TI-Komponenten datenschutzkonform stilllegen.

Praxisverkauf kurz gefasst – Checkliste

  • Praxiswertermittlung mit Gutachter beauftragen

  • Alle Wertfaktoren (inkl. Digitalisierung) berücksichtigen

  • steuerliche Gestaltung: § 16 EStG, § 34 EStG prüfen

  • Frühzeitig mit Nachfolgersuche beginnen

  • KV-Verfahren in gesperrten Regionen einplanen

  • Patienten- und Vertragsdaten rechtssicher übertragen

  • Übergabe schriftlich regeln und dokumentieren

  • Auf Praxisbörsen inserieren

  • Experten (Steuerberater, Anwalt) einbeziehen