Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Praxis

Was tun, wenn man das Gefühl hat, dass in der Praxis oder Klinik etwas grundlegend verkehrt läuft, das Arbeitsumfeld emotional aufgeladen oder chaotisch ist – und man aktuell keine Möglichkeit sieht, dieses Umfeld zu verändern? Die Wirtschaftspsychologin und Coachin-Expertin Stefanie Rödel gibt in der aktuellen Ausgabe des Magazins «Psychologie Heute» (10/2025) unter anderem folgende Tipps:

1. Eigene Stressimpulse erkennen

Stress beginnt meist mit einer körperlichen Reaktion – nicht mit einer bewussten Entscheidung. „Was irritiert mich, und was ist mein Impuls?“, rät Rödel zu fragen. Ob Rückzug, Angriff oder Erstarrung: Das Wahrnehmen dieser automatischen Muster schafft Distanz zum Geschehen. Ein kurzer körperlicher Reset – etwa Aufstehen, Schultern lockern, tief atmen – kann helfen, das autonome Nervensystem zu beruhigen und die Handlungsfähigkeit wiederzugewinnen.

2. Mentale Anker setzen

Bei hoher Anspannung verliere das Gehirn leicht die Verbindung zum rationalen Ich, so Rödel. Eine kleine körperliche Geste könne hier unterstützen: „Ich nehme das erste Gelenk meines linken Ringfingers zwischen zwei Finger und sage mir: Es ist 2025, ich bin erwachsen, ich finde eine Lösung.“ Diese bewusste Selbstvergewisserung unterbricht die Stressspirale – ein Prinzip, das auch in der Verhaltenstherapie genutzt wird.

3. Perspektive wechseln

Wer das Arbeitsumfeld nicht verändern kann, kann seine Haltung dazu überdenken. Reframing – also eine Neubewertung der Situation – hilft, die eigene Autonomie zu stärken. Etwa: Ich kann dank meiner Arbeit meine Familie versorgen. Oder: Ich achte auf Schlaf, Bewegung und Ernährung, um meine Arbeit gesund leisten zu können.

Rödel bezieht sich auf das Konzept der „neurotischen Organisation“ des niederländischen Managementforschers Manfred Kets de Vries. Er beschreibt, wie destruktive Muster – etwa Misstrauen, Überkontrolle oder kollektive Erschöpfung – in Teams unbewusst weitergegeben werden. Solche Dynamiken zu erkennen, sei der erste Schritt, um sich innerlich abzugrenzen – und gesund zu bleiben, auch wenn das System krank ist.