Schwanger in der Probezeit? Das gilt juristisch für MFA und andere Praxismitarbeiterinnen
Judith MeisterKaum eine Personengruppe schützt das deutsche Arbeitsrecht so umfassend wie werdende Mütter. Doch greift dieser umfassende Schutz auch in der Probezeit? Wann muss der Chef von der Schwangerschaft erfahren? Und in welchen Fällen droht ein Beschäftigungsverbot für Medizinische Fachangestellte (MFA)? Die wichtigsten Antworten für Praxismitarbeiterinnen und ihre Arbeitgeber.
Schwangerschaften sind für werdende Eltern meist ein Grund zur Freude. Arbeitgeber hingegen reagieren nicht immer so begeistert, wenn eine Mitarbeiterin die frohe Kunde verkündet. Der Grund: Der Gesetzgeber hat ihnen weitreichende Schutzpflichten gegenüber schwangeren Mitarbeiterinnen auferlegt. Im Gesundheitswesen sind diese sogar besonders streng. Zudem fallen junge Mütter vor und nach der Geburt für längere Zeit aus, sodass ein Ersatz organisiert werden muss.
Umfassender Schutz für schwangere Medizinische Fachangestellte
Dennoch dürfen Arbeitgeber nicht alles tun, um die Einstellung einer womöglich bereits Schwangeren auszuschließen. Um zu verhindern, dass Frauen im gebärfähigen Alter schon bei Bewerbungsgesprächen benachteiligt werden, dürfen Arbeitgeber beispielsweise nicht nach einer bestehenden Schwangerschaft oder einem Kinderwunsch fragen. Tun sie es doch, haben die Bewerberinnen ein Recht zur Lüge, ohne dass sie Sanktionen befürchten müssen.
Doch egal, ob eine MFA ihren Job bereits schwanger angetreten hat oder erst kurz nach der Unterschrift des Vertrages schwanger geworden ist – aus juristischer Sicht wird die Lage für die neue Mitarbeiterin und ihren Arbeitgeber auf jeden Fall kompliziert.
So greifen während der ersten sechs Monate des Beschäftigungsverhältnisses die Regeln des Kündigungsschutzgesetzes eigentlich noch nicht. Damit dürfen Arbeitgeber sich in dieser Zeit grundsätzlich - und ohne Angaben von Gründen - auch kurzfristig von einem Neuzugang trennen. Das gilt allerdings nicht für Schwangere, denn für sie gelten Sonderregeln.
Dürfen Arbeitgeber einer Schwangeren in der Probezeit kündigen?
Einer schwangeren Praxismitarbeiterin darf nur in extremen Ausnahmesituationen gekündigt werden, das gilt auch für MFA in der Probezeit. Denn werdende Mütter unterliegen grundsätzlich den besonderen Vorschriften Mutterschutzgesetzes. Dessen § 17 verbietet eine Kündigung von Schwangeren und zwar ab dem Moment, in dem der Arbeitgeber von der Schwangerschaft erfährt. Der besondere Schutz hält außerdem bis mindestens vier Monate nach der Entbindung an.
Eine schwangere MFA muss im Normalfall also keinen Rauswurf befürchten und zwar auch dann nicht, wenn sie eigentlich noch in der Probezeit ist. Dieses Privileg gilt allerdings nur, wenn der Chef bereits weiß, dass seine neue Arbeitnehmerin schwanger ist. Aus diesem Grund – und um sich und das Baby zu schützen – sollten MFA ihren Chef daher so schnell wie möglich über die Schwangerschaft informieren und zwar am besten schriftlich.
Welche Schutzvorkehrungen müssen Arbeitgeber für schwangere MFA treffen?
Unabhängig davon, ob eine MFA bereits Jahre in der Praxis beschäftigt ist oder an ihrem ersten Arbeitstag schwanger wird: Wie jede werdende Mutter hat sie einen Anspruch darauf, dass ihr Chef Gesundheitsgefährdungen für sie und das Kind vermeidet.
§ 11 des Mutterschutzgesetzes normiert: „Der Arbeitgeber darf eine schwangere Frau keine Tätigkeiten ausüben lassen und sie keinen Arbeitsbedingungen aussetzen, bei denen sie in einem Maß Gefahrstoffen ausgesetzt ist oder sein kann, dass dies für sie oder für ihr Kind eine unverantwortbare Gefährdung darstellt.“
Die Details ergeben sich aus der Gefährdungsbeurteilung, die in jeder Praxis vorgeschrieben ist.
Sanktionen bei Verstößen gegen das Mutterschutzgesetz
Verstöße gegen Mutterschutzpflichten nach dem Mutterschutzgesetz (MuSchG) stellen eine Ordnungswidrigkeit dar und können mit einem Bußgeld von bis zu 30.000 Euro pro Fall geahndet werden (§ 32 MuSchG). Das gilt etwa dann, wenn einer schwangeren Mitarbeiterin unzulässigerweise gekündigt wird, sie trotz Beschäftigungsverbots mit gefährdenden Tätigkeiten betraut wird oder der Arbeitgeber seiner Pflicht zur Gefährdungsbeurteilung nicht nachkommt.
Auch arbeitsrechtlich haben solche Verstöße erhebliche Konsequenzen: Eine Kündigung, die ohne die erforderliche behördliche Zustimmung während der Schwangerschaft ausgesprochen wird, ist unwirksam. Die betroffene Mitarbeiterin kann Wiedereinstellung verlangen, rückwirkend Gehaltsansprüche geltend machen oder sogar auf Schadensersatz klagen. In schweren Fällen – etwa bei einer bewussten Gefährdung der Gesundheit – kann auch ein Strafantrag, beispielsweise wegen fahrlässiger Körperverletzung, in Betracht kommen.
Unwissenheit schützt dabei nicht: Der Arbeitgeber ist verpflichtet, sich aktiv über seine Pflichten zu informieren.
Welche Tätigkeiten dürfen schwangere MFA nicht ausführen?
In keinem Fall dürfen schwangere MFA daher Blut abnehmen, Spritzen geben und oder Instrumente reinigen. Die Versorgung infektiöser Wunden ist ihnen ebenso untersagt wie der Kontakt mit Patienten, die bekanntermaßen eine ansteckende Krankheit haben.
Lässt sich in der Praxis keine andere, sichere Tätigkeit für die werdende Mutter finden, muss der Arbeitgeber ein Beschäftigungsverbot aussprechen.
Erhalten schwangere MFA mit Beschäftigungsverbot weiterhin ihr Gehalt?
Der Lohnanspruch für MFA mit Beschäftigungsverbot aufgrund einer Schwangerschaft bleibt in voller Höhe bestehen. Bezahlt wird das Geld sowohl vom Arbeitgeber als auch von der gesetzlichen Krankenkasse.
Der Arbeitgeber hat gekündigt, bevor er von der Schwangerschaft wusste. Und nun?
Arbeitgeber, die nicht wissen, dass eine MFA einen besonderen Kündigungsschutz genießt, können diesen auch nicht beachten. Das bedeutet aber keineswegs, dass eine Probezeit-Kündigung, die der Chef in Unkenntnis der Schwangerschaft ausgesprochen hat, automatisch wirksam ist. Um ihren Job zu retten, muss die werdende Mutter aber spätestens jetzt Bescheid sagen und den Arbeitgeber innerhalb von zwei Wochen per ärztlicher Bescheinigung über die Schwangerschaft informieren (vgl. etwa LAG Rheinland-Pfalz – Az.: 8 Ta 105/22).
Verpasst sie diese Frist, muss es dafür triftige Gründe geben. Diese hat die MFA auch zu beweisen, um doch noch vom Sonderkündigungsschutz zu profitieren und die bereits ausgesprochene Kündigung aus der Welt zu schaffen. Kann sie das nicht, wird die Kündigung wirksam.