Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Arbeitsrecht

Wer an fünf Tagen pro Woche in der Arztpraxis den Computer hoch- und wieder herunterfährt und dafür insgesamt drei Minuten benötigt, verbringt im Jahr – sechs Wochen Urlaub abgerechnet – allein 6,9 Stunden mit dieser Tätigkeit. Das ist fast ein ganzer Arbeitstag. Dabei ließe sich die Aufzählung der Kleinarbeiten, die nötig sind, bevor es mit der Arbeit richtig losgehen kann, noch weiter fortsetzen: Jacke aufhängen, Arbeitskleidung anziehen, Schuhe wechseln, Hände Waschen und desinfizieren. Da kommt schnell was zusammen.

Diese Vorbereitungshandlungen bezeichnet man arbeitsrechtlich als sogenannte Rüstzeit. Die Rüstzeit ist gesetzlich nicht geregelt, ja noch nicht einmal erwähnt. Daher gibt es oft Streit um die Frage, ob sie bereits zur Arbeitszeit zählt und der Chef sie bezahlten muss. In einigen Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen gibt es Regelungen zur Rüstzeit. Im Manteltarifvertrag für Medizinische Fachangestellte/Arzthelferinnen sind solche jedoch nicht enthalten. Hat der Praxisinhaber auch im Arbeitsvertrag keine Regelung dazu getroffen – was meistens der Falls sein dürfte – lohnt ein Blick auf die Rechtsprechung.

Ausziehen des Mantels oder der Jacke:

Hierbei handelt es sich um eine sogenannte eigennützige Tätigkeit. Sie liegt also nicht im Interesse des Arbeitgebers, sondern des Arbeitnehmers. Das Ausziehen von Mänteln oder Jacken fällt daher in der Arztpraxis nicht unter die Arbeitszeit und muss auch nicht bezahlt werden.

An- und Ausziehen von Praxiskleidung:

Auch bei der Praxiskleidung muss man zwischen Fremdnützigkeit und Eigennützigkeit unterscheiden. Ist das Tragen von Arbeitskleidung fremdnützig, fällt das An- und Ausziehen in die vergütungspflichtige Arbeitszeit. Fremdnützigkeit bedeutet, dass das Tragen der Kleidung nicht im Interesse des Beschäftigten liegt, sondern allein in dem des Arbeitgebers.

Können MFA die Kleidung, die sie in der Praxis tragen, auch als Freizeitkleidung tragen (T-Shirt, weiße Hose), liegt Eigennützigkeit vor. Das Umziehen dient dann dem Schutz ihrer privaten Kleidung. Die Zeit für das Wechseln der Kleidung müsste der Arzt oder die Ärztin hier nicht bezahlen. Eignet sich die Kleidung zwar prinzipiell als Freizeitkleidung, ist aber so auffällig, dass eine eindeutige Identifikation mit der Firmenkultur des Arbeitgebers besteht, dann ist das An- und Ausziehen dieser Kleidung fremdnützig. Sie dient dem Arbeitgeber. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn alle Praxismitarbeitenden die gleiche weiße Hose und ein grünes Poloshirt mit dem Logo der Praxis tragen. Gerade bei der typischen weißen Kleidung muss man aber aufpassen: Weiße Dienstkleidung ohne Beschriftung kann nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine besonders auffällige Dienstkleidung darstellen, wenn der Beschäftigte aufgrund der Ausgestaltung der Kleidungsstücke in der Öffentlichkeit mit einem bestimmten Berufszweig oder einer bestimmten Branche in Verbindung gebracht wird. So gilt etwa weiße Krankenhauskleidung als Merkmal für Krankenpfleger.

Liegt das Anziehen der Arbeitskleidung im Interesse des Praxisinhabers, dann ist auch das Ausziehen der Dienstkleidung und das Anziehen der Privatkleidung am Ende des Dienstes Arbeitszeit und damit vergütungspflichtig. Ordnet der Praxisinhaber außerdem an, dass die Mitarbeitenden ihre Arbeitskleidung erst in der Praxis anlegen dürfen, zählt die Umkleide- beziehungsweise Rüstzeit ebenfalls zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit.

Anlegen von Schutzkleidung in der Praxis:

In einigen Praxen ist das Tragen besonderer Schutzkleidung erforderlich, etwa bei gastroenterologischen Untersuchungen. Das Anziehen spezieller Schutzkleidung, die gesetzlich vorgeschrieben ist, stellt Arbeitszeit dar und muss vom Praxisinhaber auch bezahlt werden.

Hochfahren des Praxiscomputers und des PVS:

Diese Tätigkeiten zählen zur Rüstzeit. Sie ist zur Erledigung der eigentlichen Arbeit unerlässlich und kann nur am Arbeitsort ausgeführt werden. Der Arbeitgeber muss sie bezahlen.

Gang zur Toilette, kurze Pause als Arbeitszeit?

Wer zur Toilette geht oder sich kurz dehnt, bekommt diese kurze Arbeitsunterbrechungen als Arbeitszeit vergütet. Das gilt aber nicht für die sogenannte Raucherpause. Rauchende MFA haben keinen Anspruch auf Vergütung der Zigarettenpause, auch dann nicht, wenn sie während dieser Zeit über die Arbeit reden.

Wie viel Zeit für die jeweiligen Tätigkeit anzusetzen ist, ist eine individuelle Frage und richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.