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Recht

Große Ereignisse werfen ihre Schatten nicht nur voraus. Sie hinterlassen mitunter auch Spuren. Und zwar mehr, als dem einen oder anderen lieb sein dürfte.

Das gilt, auch und gerade, für die jetzt wieder anstehenden Weihnachtsfeiern. Die brisante Mischung aus geselligem Zusammensein mit den Kollegen und dem Chef, gerne in Kombination mit dem einen oder anderen Gläschen Wein, beschäftigt die Gerichte Jahr für Jahr. Gerade wenn in den Praxis- beziehungsweise Büroräumen gefeiert wird, geht immer wieder wichtiges Equipment zu Bruch. Auch alkoholinduzierte Fehltritte sind keine Seltenheit.

Wann ein unglückliches Verhalten auf der Weihnachtsfeier rechtliche Schritte rechtfertigen kann, darüber lässt sich im Einzelfall aber trefflich streiten. Das beweist auch eine aktuelle Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Düsseldorf (Az. 3 Sa 284/23).

Im konkreten Fall ging es um den Gebietsmanager einer Winzergenossenschaft. Er war, zusammen mit dem Rest der Belegschaft, zur Weihnachtsfeier des Unternehmens in ein Restaurant geladen. Nach dem Ende der Festivitäten hatten die Arbeitnehmer zwei Möglichkeiten: Entweder sie fuhren mit dem Bus zurück zum Betriebsgelände oder sie traten direkt den Nachhauseweg an. Eine Fortsetzung der Feier auf dem Firmengelände war hingegen nicht vorgesehen.

Nicht alle gehen, wenn es am schönsten ist

Für den besagten Gebietsmanager war der Abend aber offenbar noch zu jung, um nach Hause zu gehen. Zusammen mit einem Kollegen beschloss er daher, auf dem Firmengelände noch ein wenig weiterzufeiern. Entsprechend nutzten sie ihre Zugangskarte, um in die firmeneigene Kellerei zu gelangen. Dort konsumierten die beiden mindestens vier (weitere) Flaschen Wein.

Danach waren sie offenbar nicht mehr in der Lage, die Spuren des Gelages zu beseitigen. Entsprechend stand am nächsten Morgen das Hoftor offen, außerdem fanden sich überall leere Flaschen und Zigarettenstummel. Die Wände hatten die beiden feierfreudigen Arbeitnehmer mit zerquetschten Mandarinen beworfen. Mindestens einer der beiden hatte sich zudem in den Firmenhof erbrochen.

Der Arbeitgeber kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis mit Zustimmung des Betriebsrats außerordentlich fristlos, hilfsweise fristgerecht. Der Mitarbeiter klagte und hatte in der ersten Instanz Erfolg.

Klare Ansage des Landesarbeitsgerichts

Das Arbeitsgericht befand, dass der Arbeitgeber den Mann erst hätte abmahnen müssen. Das LAG kassierte diese Entscheidung jedoch. Eine Abmahnung sei im Hinblick auf die Schwere der Pflichtverletzung nicht ausreichend. Insbesondere sei es „nicht ansatzweise ersichtlich, wie man hätte annehmen können, dass man mit der Chipkarte um Mitternacht das Firmengelände betreten dürfte“.

Ebenso offensichtlich sei es, dass sich der Mitarbeiter nicht an den Weinen seines Arbeitgebers gütlich tun dürfe. Anhaltspunkte für eine vom Arbeitgeber ausgehende und für den Kläger erkennbare Duldung dieses Verhaltens seien nicht ersichtlich. Es stelle sich allein die Frage, ob das Verhalten bereits eine fristlose Kündigung rechtfertige oder die Interessenabwägung zu einer ordentlichen Kündigung führen müsse.

Im konkreten Fall einigten sich die Parteien auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einem späteren Zeitpunkt. Zudem verpflichtete sich der Arbeitgeber, dem trinkfreudigen Ex-Mitarbeiter ein wohlwollendes Zeugnis auszustellen, das den Weinkeller-Vorfall unter den Tisch fallen lässt.

Eine Frage des Versicherungsschutzes

Der Fall des trinkfreudigen Arbeitnehmers wirft jedoch nicht nur ein Schlaglicht auf die Frage, wie man sich auf der betrieblichen Weihnachtsfeier (besser nicht) verhalten sollte. Auch das offizielle Ende der Veranstaltung ist immer wieder Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. Meist, weil Menschen zu fortgeschrittener Stunde (und mit latent erhöhter Promillezahl) zu Schaden gekommen sind.
Grundsätzlich gilt: Mit dem offiziellen Ende der Weihnachtsfeier endet meist auch der Versicherungsschutz. Wer also nach der betrieblichen Veranstaltung mit Kollegen weiterfeiert, sollte gut auf sich aufpassen – oder privat unfallversichert sein.

Bleibt die Frage: Wer definiert das offizielle Ende der Veranstaltung? Hierzu hat das Landessozialgericht Hessen entschieden: Die Tatsache, dass der Vorgesetzte die Feier vor allen anderen verlassen hat, bedeutet aus versicherungsrechtlicher Sicht nicht zwingend, dass die Veranstaltung beendet ist. Das gilt zumindest dann, wenn der Löwenanteil der Belegschaft noch länger bleibt. Bleibt hingegen nur der harte Kern (im konkreten Fall waren es 3 von 18 Mitarbeitern), überwiegt der private Charakter und der gesetzliche Unfallversicherungsschutz entfällt (LSG Hessen, Az. L 3 U 71/06).

Zwischenmenschliche Zwischenfälle

Unabhängig von versicherungsrechtlichen Fragen ist es oft aber auch aus anderen Gründen ratsam, die Veranstaltung rechtzeitig zu verlassen. Denn wer sich in zwangloser Atmosphäre danebenbenimmt, muss ebenfalls mit Konsequenzen rechnen. Diese Erfahrung machte auch ein Arbeitnehmer, der seinen Chef am Ende einer Betriebsfeier vor allen Kollegen und den Mitarbeitern der Bar unter anderem als „Arschloch“ und „Pisser“ bezeichnete. Das LAG Mecklenburg-Vorpommern, bestätigte daraufhin, dass die außerordentliche, fristlose Kündigung des Mannes gerechtfertigt war (Az. 2 Sa 153/20).

Gleiches gilt für Arbeitnehmer, die auf der Weihnachtsfeier eine Prügelei mit Kollegen beginnen. Auch sie fliegen fristlos, selbst wenn sie seit 20 Jahren dabei sind (ArbG Osnabrück, Az. 4 BV 13/08).

Küssen verboten
Auch am Fest der Liebe gilt: Wer eine Arbeitskollegin auf einer Betriebsveranstaltung gegen ihren Willen zu küssen versucht und dies am Ende auch tut, überschreitet damit eine rote Linie. Dies macht die Fortsetzung des Arbeitsvertrags unzumutbar. Das gilt auch, wenn sich der Betreffende später bei der Kollegin entschuldigt. Das hat das LAG Köln entschieden und die fristlose Kün­di­gung eines Arbeitnehmers ohne vorherige Abmahnung als rechtmäßig angesehen. (Az. 8 Sa 798/20).