Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Recht

Solche Eingriffsverwechselungen sind glücklicherweise nicht alltäglich, aber für Patienten äußerst ärgerlich. Im besten Fall verheilt ein solcher Eingriff ohne weitere Probleme zügig, im schlimmsten Fall kann es zu verheerenden Folgen kommen.

So amputierte in Österreich eine Ärztin einem Patienten gar das falsche Bein. In München wurde bei einem Patienten das falsche Auge operiert, sodass er nach dem Eingriff auf dem verwechselten Auge nur noch 10 % ohne Hilfsmittel sieht. Dank starker Kontaktlinsen konnte die Sehkraft immerhin auf 50 % verbessert werden.

Ob und wann haften Ärzte und Träger bei Verwechslungen?

A. Zivilrechtliche Haftung

Es kommen verschiedene Ansprüche gegen unterschiedliche Akteure in Frage. So kann der Patient sowohl gegen den Krankenhausträger, den behandelnden Arzt oder gegebenenfalls gegen den Chefarzt vorgehen.

I. Ansprüche des Patienten gegen Krankenhausträger

1. Vertraglicher Schadensersatzanspruch

Denkbar wäre ein Schadensersatzanspruch nach § 280 I BGB gegenüber dem Krankenhausträger. Das Schuldverhältnis ergibt sich aus dem abgeschlossenen Behandlungsvertrag. Zudem müsste eine Pflichtverletzung vorliegen. Diese ist in der Verwechselung des Körperteils durch den behandelnden Arzt zu sehen. So darf der Arzt nur das operieren, in was der Patient aufgrund einer vorhergehenden ordnungsgemäßen Aufklärung eingewilligt hat. Dabei hat sich der Arzt selbst vor der OP zu vergewissern, ob der Eingriff am richtigen Körperteil und an der richtigen Stelle erfolgt. Dass der Träger nicht „selbst“ operiert ist unschädlich, da der Operateur Erfüllungsgehilfe des Trägers ist. Daher wird das Handeln des Arztes dem Träger über § 278 BGB zugerechnet.

Fraglich ist, welche Schäden zu ersetzen sind. Heilbehandlungskosten und etwaige Rehabilitationsmaßnahmen zur Beseitigung des Behandlungsfehlers werden von der Krankenversicherung übernommen. Schadensersatzansprüche hierauf gehen grundsätzlich im Wege einer Legalzession auf die Krankenkasse über.

Ersatzfähig können bereits bekannte Dauerschäden, wie beispielsweise operationsbedingte Nervenschäden oder Bewegungseinschränkungen sein. Infrage kommen auch Entschädigungen für künftig eintretende Spätschäden wie eine drohende Erblindung. Ob solche Schäden eingetreten sind oder ob man damit rechnen muss, ist durch medizinische Sachverständige zu klären. Denkbar ist auch die Geltendmachung eines Haushaltsführungsschadens, falls es durch die OP zu erheblichen Problemen bei Tätigkeiten im Haushalt, z.B. Einkaufen, Reinigung oder Kinderbetreuung kommt.

Darüber hinaus steht dem Patienten durch die fälschlicherweise durchgeführte Operation ein Schmerzensgeld nach § 253 II BGB zu. Dieses ist einzelfallabhängig von der Schmerzbelastung, dem Heilungsverlauf, Umfang des späteren Eingriffs am richtigen Körperteil, seelische Belastungen, künftige Lebensbeeinträchtigung und dem individuellen Leid. So wurde einer Patientin, bei der die linke statt der rechten Hand operiert wurde, vom AG Detmold ein Schmerzensgeld über 4.000 € zugesprochen, wobei sich dieser Betrag aufgrund der hier erlittenen Beeinträchtigungen eher im unteren Bereich von ähnlich gelagerten Fällen zwischen 4.000 – 5.000 € befand.

In einem anderen Fall, bei dem das falsche Auge operiert wurde und es zu einer erheblichen Sehkraftminderung mit drohender Erblindung gekommen ist, sprach das LG München ein Schmerzensgeld über 70.000 € und 21.000 € Schadenersatz zu.

Fällt dem Patienten ein Mitverschulden zur Last, könnte das den Anspruch mindern. Das ist jedoch sehr restriktiv auszulegen. Als ein Patient dem Arzt kurz vor der OP die falsche Hand gezeigt hat, wurde jedenfalls ein Mitverschulden des Patienten verneint, da allein das Personal für die Überprüfung des richtigen Körperteils zuständig sei und nicht der Patient, der unmittelbar vor der OP nervös und aufgeregt sein kann.

In den beispielhaft ausgeführten Fällen war die haftungsbegründende Kausalität zwischen Verletzungshandlung und Schaden gut erkennbar. Ist diese nicht offensichtlich, wird diese in Fällen des „voll beherrschbaren Risikos“, also wenn eine Gefahrenquelle durch gute Organisation des Arztes in vollem Umfang vermeidbar wäre, vermutet. Das kann bei Eingriffsverwechselungen durchaus angenommen werden. Diese Kausalität wird ebenfalls vermutet, wenn ein grober Behandlungsfehler i.S.d. § 630h V BGB vorliegt. Das wäre nach dem BGH der Fall, wenn das Fehlverhalten aus objektiver ärztlicher Sicht nicht mehr verständlich erscheint und einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf. So muss ein eindeutiger Verstoß gegen gesicherte medizinische Erkenntnisse oder bewährte Behandlungsregeln vorliegen. Das muss im Einzelfall durch Sachverständige geprüft werden.

2. Deliktischer Schadensersatzanspruch

Des Weiteren könnte dem Patienten ein Schadenersatzanspruch gegen den Träger aus § 831 I BGB zustehen, da der behandelnde, angestellte Klinikarzt aufgrund seiner rechtlichen Weisungsgebundenheit Verrichtungsgehilfe des Trägers ist. Der Arzt ist seinerseits dem Patienten aus § 823 I BGB schadensersatzpflichtig. Der Träger kann sich aber nach § 831 I 2 BGB exkulpieren, wenn er bei der Auswahl und Überwachung des Arztes die erforderliche Sorgfalt beachtet hat. Dies ist dann der Fall, wenn der Träger geeignete Überwachungsmaßnahmen und Kontrollen durchgeführt hat.

3. Ansprüche bei Organisationsverschulden

Trifft den Träger ein Organisationsverschulden, kommen weitere Ansprüche aus § 280 I BGB oder § 823 I BGB in Betracht. So hat der Krankenhausträger seine betrieblichen Prozesse so zu organisieren, dass jede Gefährdung von Patienten ausgeschlossen ist. Dies umfasst beispielsweise die Erstellung von Einsatzplänen oder die sorgfältige Auswahl von Personal. So müssen auch Kontrollmechanismen geschaffen werden, um Arbeitsabläufe zu überwachen. Letzteres kann bei Verwechselungen fraglich sein. So ist zu prüfen, ob der Träger ausreichende Schutzmaßnahmen zur Vermeidung von Eingriffsverwechselungen wie Checklisten, Standardarbeitsanweisungen, Vier-Augen-Prinzipien, ausreichend geschultes Personal usw. ergriffen hat.

II. Ansprüche des Patienten gegen den behandelnden Arzt

Gegen den behandelnden Operateur kann der Patient einen Schadensersatzanspruch aus § 823 I BGB geltend machen. Eine Operation ist zunächst eine Körperverletzung, da es die äußere, körperliche Integrität des Patienten verletzt. Der Arzt handelt regelmäßig fahrlässig. Die Rechtswidrigkeit der Körperverletzung entfällt bei einer wirksamen Einwilligung des Patienten. In Verwechselungsfällen liegt bei dem Eingriff in das verwechselte Körperteil gerade keine Einwilligung vor, da sich diese nur auf das regulär zu operierende Körperteil erstreckt. Über den Umfang des Schadens gelten die oben genannten Ausführungen.

III. Ansprüche des Patienten gegen den Chefarzt

Denkbar wäre auch ein Schadensersatzanspruch aus § 831 BGB gegenüber den Chefarzt. Das ist jedoch nur möglich, wenn er seine unterstellten Ärzte selbst fehlerhaft angewiesen hat.

B. Strafrechtliche Verantwortlichkeit

I. Strafbarkeit wegen gefährlicher Körperverletzung

Grundsätzlich sind ärztliche Heileingriffe rechtfertigungsbedürftige Körperverletzungen. Da bei Operationen üblicherweise Skalpelle o.ä. verwendet werden, liegt grundsätzliche eine gefährliche Körperverletzung nach §§ 223 I, 224 I Nr. 2 Alt. 2 StGB vor. Die Körperverletzung könnte jedoch durch eine Einwilligung gerechtfertigt sein. Dies ist bei Eingriffsverwechselungen problematisch. So willigt der Patient beispielsweise nur in die Operation des linken Fußes ein. Wird irrtümlich der rechte Fuß operiert, ist diese Handlung nicht von der ursprünglichen Einwilligung gedeckt. Jedoch dürfte sich der Chirurg in solchen Fällen regelmäßig über das Vorliegen einer Einwilligung irren, da er davon ausgeht, den richtigen Fuß auf Basis einer rechtfertigenden Einwilligung zu operieren. In solchen Fällen könnte von einem Erlaubnistatbestandsirrtum ausgegangen werden, sodass nach § 16 StGB analog die Vorsatzschuld entfällt (andere Lösungsansätze denkbar) und so eine Strafbarkeit nach §§ 223, 224 StGB ausscheidet.

II. Strafbarkeit wegen fahrlässiger Körperverletzung

Eine Strafbarkeit nach § 229 StGB bleibt unberührt. So wird zu prüfen sein, ob für den Arzt die Sorgfaltspflichtverletzung (Verwechselung des Körperteils) im Einzelfall sowohl objektiv als auch subjektiv vorhersehbar und vermeidbar gewesen ist.

C. Zusammenfassung und Bedeutung für die Praxis

Auch wenn eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des Arztes im Einzelfall möglich ist, so sind zivilrechtliche Haftungsansprüche relevanter. Besonders wichtig sind Ansprüche gegen den Träger. Bei Schadensersatzansprüchen gegen den angestellten Krankenhausarzt springt häufig die Berufshaftpflichtversicherung des Arbeitgebers ein. Gibt es eine solche Versicherung nicht, bestimmt sich die Haftung grundsätzlich nach dem sog. „innerbetrieblichen Schadensausgleich“, abhängig vom Verschuldensgrad. Zu betonen ist aber, dass die Berufshaftpflichtversicherung für den Arzt nicht für alle Kosten aufkommen muss (näheres dazu hier). Damit solche Fehler überhaupt nicht auftreten, gilt umso mehr, sich immer gründlich vor dem Eingriff über das richtige Körperteil zu vergewissern und sich nicht auf Aussagen des Patienten zu verlassen.

Autor: Johannes Kayser