Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Recht

Vorgedruckte Aufklärungsbögen sind aus der ärztlichen Praxis nicht mehr hinwegzudenken. Sie informieren den Patienten über eine bevorstehende Untersuchung oder einen Eingriff und helfen Ärztinnen und Ärzten, die ärztliche Aufklärung in der Hausarztpraxis zu strukturieren und zu individualisieren. Sie enthalten in der Regel eine ausführliche Beschreibung des Eingriffs, einen Anamnese- und Dokumentationsteil sowie die abschließende Einwilligungserklärung für den Patienten. Ein großer medizinischer Verlag hält über 2.000 dieser Vordrucke für fast jede Art von Untersuchung oder Eingriff bereit.

Aufklärungsfehler können einen Behandlungsfehler darstellen

Wer sich als Arzt oder Ärztin jedoch darauf verlässt, den Aufklärungspflichten (welche Aufklärungspflichten Ärzte und Ärztinnen haben, lesen Sie hier) Genüge zu tun, wenn er dem Patienten einfach einen Aufklärungsbogen zur Unterschrift vorlegt, der irrt. Eine so vom Patienten erteilte Einwilligung in eine Behandlung oder einen Eingriff ist in der Regel unwirksam. Das bedeutet, dass ein Behandlungsfehler in Form eines Aufklärungsfehlers vorliegen kann – mit gravierenden Haftungsfolgen. Denn die Bögen sind lediglich ein Instrument zur Unterstützung der ärztlichen Aufklärung, ersetzen diese aber nicht. Jedoch kann eine mithilfe eines Aufklärungsbogens korrekt durchgeführte Aufklärung nebst Dokumentation einen Arzt im Falle eines Arzthaftungsprozesses enorm entlasten. Daher ist es auch in der Hausarztpraxis wichtig, die Aufklärungsbögen richtig zu verwenden.

Grundsätzlich stellt jeder ärztliche Eingriff einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Patienten dar. Ein solcher Eingriff wird nur dann nicht als rechtswidrige Körperverletzung angesehen, wenn der Patient in den Eingriff eingewilligt und der Arzt ihn vorher so umfassend aufgeklärt hat, dass er selbst entscheiden konnte, ob er in Kenntnis des Ablaufs, des Zwecks und der Risiken sowie möglicher Alternativen den Eingriff wünscht (sogenannter informed consent).

Ärztliche Aufklärung muss immer mündlich erfolgen

Die Aufklärung ist im Kern in § 630e des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) geregelt. Sie muss grundsätzlich mündlich, also in einem Gespräch zwischen Arzt und Patient erfolgen. Formulare können das Aufklärungsgespräch zwar vorbereiten und die Dokumentation sicherstellen, sie können ein Aufklärungsgespräch aber nicht ersetzen. Das Gespräch muss außerdem von einem Arzt oder einer Ärztin geführt werden, die fachlich für die erforderliche Maßnahme qualifiziert ist, auf eine formale Weiterbildungsqualifikation kommt es aber nicht an. Es ist auch zulässig, dass die Aufklärung durch einen Arzt erfolgt, der die Maßnahme selbst nicht durchführt. Eine Delegation an nichtärztliches Personal ist dagegen nicht zulässig.

Bei Aufklärung mithilfe eines Aufklärungsbogens muss dieser ausgehändigt werden

Klärt ein Arzt einen Patienten ergänzend zur mündlichen Aufklärung mithilfe eines Aufklärungsbogens auf, ist diese Art der Aufklärung nur wirksam, wenn der Patient den Text ausgehändigt bekommt. Die Aushändigung des Textes sollten Ärzte dokumentieren.

Bei Impfungen, die durch die Ständige Impfkommission empfohlen sind, hält die Rechtsprechung ausnahmsweise auch eine Aufklärung durch die rechtzeitige Aushändigung eines Aufklärungsbogen für ausreichend, wenn der Patient die Gelegenheit erhält, dem Arzt Fragen zu dem Gelesenen zu stellen und weitere Informationen einzuholen.

Die korrekte Aufklärung eines Patienten erlangt vor allem dann an Bedeutung, wenn es im Nachhinein zu Behandlungsfehlervorwürfen kommt. Häufig behaupten Patienten nach einer nicht erfolgreichen Behandlung oder einem nicht erfolgreich verlaufenen Eingriff, dass sie nicht richtig aufgeklärt worden seien und bei einer umfassenden Aufklärung niemals in die Behandlung oder den Eingriff eingewilligt hätten. In einem Prozess steht dann nicht selten Aussage gegen Aussage.

Hypothetische Einwilligung
War die Aufklärung vor einem Eingriff oder einer Behandlung unzureichend und die Einwilligung des Patienten damit unwirksam, kann der behandelnde Arzt oder die behandelnde Ärztin sich unter Umständen auf eine hypothetische Einwilligung des Patienten berufen. Diese ist in § 630h Absatz 2 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs geregelt. Danach kann der Behandelnde sich darauf berufen, dass der Patient im Fall einer ordnungsgemäßen Aufklärung in die Maßnahme eingewilligt hätte. In diesem Fall führt der Aufklärungsmangel nicht zu einer ärztlichen Haftung. Allerdings ist die hypothetische Einwilligung an sehr strenge Voraussetzungen geknüpft und nur ein Notanker.

Grundsätzlich muss der Arzt die ordnungsgemäße Aufklärung des Patienten beweisen. Nach § 630h Abs. 2 in Verbindung mit § 630e BGB muss der Arzt darlegen und beweisen, dass er die Einwilligung des Patienten eingeholt und den Patienten richtig aufgeklärt hat. Doch bei der Vielzahl an Patienten und der langen Zeit, die zwischen einer Behandlung und einem Rechtstreit liegen kann, können Erinnerungen verblassen. Der Arzt hat den Vorgang vielleicht anders in Erinnerung als der Patient. Zeugen, die man befragen könnte, waren nicht immer zugegen. Ein wichtiges Indiz stellt für den Richter dann der Aufklärungsbogen dar. Diesem kommt ein hoher Beweiswert zu. Für den Arzt kann er zudem eine wertvolle Erinnerungsstütze sein.

Aufklärungsbogen kann korrekte Aufklärung untermauern

Wichtig ist es, dass er vom aufklärenden Arzt handschriftlich individualisiert wurde, zum Beispiel mit Anmerkungen, Unterstreichungen, Notizen, Ergänzungen oder Zeichnungen. Dabei sollte der Arzt umgekehrt auch vermerken, wenn der Patient keine weiteren Fragen hat. Der Aufklärungsbogen darf selbstverständlich nicht nachträglich verändert werden. Wird das Formular im Beisein des Patienten handschriftlich ausgefüllt und ergänzt, ist das ein Indiz dafür, dass die dort vermerkten Aspekte auch Gegenstand des mündlichen Aufklärungsgesprächs waren. Umgekehrt besteht auch eine Indizwirkung dafür, dass über einen aufklärungspflichtigen Punkt nicht aufgeklärt worden ist, wenn dieser nicht in dem Bogen enthalten oder notiert ist. Den individualisierten Aufklärungsbogen sollten Arzt und Patient im Anschluss an die Aufklärung beide unterschreiben.

Ergänzt werden kann der Beweis einer ordnungsgemäßen Aufklärung noch durch den sogenannten Immer-so-Beweis. Dieser kann helfen, wenn der Arzt keine konkrete Erinnerung mehr an den Vorgang hat, aber glaubhaft machen kann, dass er bei einem bestimmten Eingriff oder einer bestimmten Behandlung seine Patienten immer auf bestimmte Aspekte hinweist, also immer auf eine bestimmte Art und Weise aufklärt.

Aktuelles Urteil zu handschriftlichen Anmerkungen im Aufklärungsbogen
Aufklärungsbogen erst im Beisein des Patienten ausfüllen
Ein durch individualisierte Anmerkungen ergänzter Aufklärungsbogen kann bei einem Behandlungsfehlervorwurf ein wichtiges Beweismittel darstellen. Einige Ärzte machen daher bereits vor dem Aufklärungsgespräch Notizen auf dem Formular, um keinen Aspekt zu vergessen oder besonders korrekt vorzugehen. Empfehlenswert ist dies nicht. Denn diesen handschriftlichen Eintragungen kommt in einem eventuellen Prozess keine Indizwirkung dahingehend zu, dass der Patient über die spezifischen Risiken eines Eingriffs auch tatsächlich mündlich aufgeklärt wurde. Das hat das Landgericht München I entschieden (08.06.2021, Az. 1 O 2310/19). Ein vor der mündlichen Aufklärung handschriftlich ergänztes Formular hat daher gegenüber einem Formularvordruck ohne handschriftliche Anmerkungen keinen wesentlichen Mehrwert.