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Recht

Das deutsche Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) besteuert den Übergang von Vermögenssubstanz auf einen anderen Rechtsträger grundsätzlich unabhängig davon, ob der betreffende Übergang im Wege der Schenkung oder von Todes wegen im Rahmen eines Erbfalls erfolgt. Dabei werden allerdings nicht alle Vermögensarten gleich behandelt: Während das Privatvermögen nur in wenigen Fällen und nur in Bezug auf bestimmte Wirtschaftsgüter steuerfrei oder steuerbegünstigt übertragen werden kann, öffnet das Gesetz für das Betriebsvermögen viel weitreichendere Möglichkeiten, dieses gänzlich steuerfrei oder zumindest steuerbegünstigt auf andere Rechtsträger zu verschenken bzw. zu vererben.

Im internationalen Vergleich wird die Übertragung von Vermögen, sofern es sich um Schenkungen oder erbrechtliche Vorgänge handelt, durchaus unterschiedlich behandelt. So ist es auch innerhalb der EU keine Seltenheit, dass solche Übertragungen nicht besteuert werden, da sie aus versteuertem Vermögen vorgenommen werden und deshalb vielfach keine Möglichkeit bzw. keine Notwendigkeit gesehen wird, den Übergang von Vermögensgegenständen auf andere Rechtsträger, insbesondere im Familienverbund in der Generationennachfolge, zusätzlich mit einer Schenkungs- oder Erbschaftsteuer zu belasten. Als Beispiele in der EU können z. B. Österreich, Liechtenstein, Schweden, Norwegen, Portugal oder Ungarn genannt werden. Anders hingegen die Bundesrepublik Deutschland: das deutsche ErbStG existiert seit vielen Jahrzehnten und ist bereits mehrfach grundlegend reformiert worden, zuletzt im Jahr 2016.

Was die Reform des Erbschaft- und Schenkungssteuerrechts gebracht hat

Insbesondere die vorläufig letzte Reform des Erbschaft- und Schenkungssteuerrechts brachte eine erhebliche Verkomplizierung dieses Rechtsgebietes mit sich, so dass steuerlichen Laien durch die betreffende Reform nahezu jegliche Möglichkeit genommen worden ist, das neue ErbStG durch eine Lektüre des Gesetzes zumindest in Grundzügen und in einem groben Überblick eigenständig zu erschließen. Auch als professioneller Rechtsanwender kommt man nicht umhin, sich in Erinnerung zu rufen, dass eine hinreichende Bestimmtheit und Regelungsklarheit eines Gesetzes zu unabdingbaren verfassungsrechtlichen Voraussetzungen von verfassungskonformen gesetzlichen Regelungen gehören. Es ist deshalb zumindest zu bezweifeln, dass ein Gesetz, das in seinen wesentlichen Teilen nicht für die breite Bevölkerung, sondern für Fachleute geschrieben worden ist, diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt.

Nach der Neufassung des ErbStG ist nicht eine Übertragung jeglichen Betriebsvermögens steuerfrei bzw. steuerbegünstigt möglich, vielmehr zählt das Gesetz das sog. begünstigungsfähige Vermögen unter § 13b Abs. 1 ErbStG abschließend auf. Hierzu gehören nur bestimmtes Land- und forstwirtschaftliches Vermögen, Betriebsvermögen von Einzelunternehmen und von bestimmten Gesellschaften im Inland, in der EU und im EWR sowie bestimmte Anteile an Kapitalgesellschaften, wenn die Mindestbeteiligung des Schenkers oder Erblassers die Höhe von 25 % überschreitet bzw. wenn ein Stimmbindungsvertrag (Poolvereinbarung) vorliegt und wenn zusätzlich bestimmte steuerschädliche Voraussetzungen nicht erfüllt werden.

Steuerlich begünstige Vermögen – was ist das?

Ausgehend vom begünstigungsfähigen Vermögen im Sinne des § 13b Abs. 1 ErbStG nimmt der Gesetzgeber eine weitere Differenzierung vor und lässt nur das begünstigte Vermögen im Sinne § 13b Abs. 2 ErbStG an der Steuerfreiheit bzw. an den Steuervergünstigungen des Erbschafts- und Schenkungssteuerrechts teilhaben. Das begünstigungsfähige Vermögen gehört nur dann zum begünstigenden Vermögen, soweit der gemeine Wert des begünstigungsfähigen Vermögens den Nettowert des sog. Verwaltungsvermögens übersteigt. Unter dem gemeinen Wert versteht das Gesetz den Preis, den ein gedachter Erwerber im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für das begünstigungsfähige Vermögen zahlen würde, im Regelfall entspricht der gemeine Wert damit dem Verkehrswert eines Wirtschaftsguts bzw. eines Vermögens.

Die dargelegte gesetzliche Regelung zeigt, dass nach der Konzeption des ErbStG das Verwaltungsvermögen bei Schenkungen oder Erwerben von Todes wegen grundsätzlich nicht begünstigt werden soll. Was unter dem Verwaltungsvermögen im Sinne des ErbStG zu verstehen ist, ergibt sich aus § 13b Abs. 4 ErbStG. Danach gehören zum Verwaltungsvermögen

  • Grundstücke, Grundstücksteile, grundstücksgleiche Rechte und Bauten, die Dritten zur Nutzung überlassen worden sind. Hiervon macht das Gesetz zahlreiche Ausnahmen, bei denen eine Nutzungsüberlassung an Dritte unschädlich ist und deshalb kein Verwaltungsvermögen vorliegt. Die erste Ausnahme betrifft die Verpachtung von Grundstücken im Rahmen einer Betriebsaufspaltung von einem gewerblichen Besitzunternehmen an das Betriebsunternehmen, sofern der Verpächter sowohl im Besitz- als auch im Betriebsunternehmen seinen geschäftlichen Betätigungswillen durchsetzen kann. Die zweite Ausnahme betrifft das Sonderbetriebsvermögen bei der Verpachtung eines Grundstücks vom Gesellschafter an seine Personengesellschaft. Die dritte Ausnahme erfasst die Betriebsverpachtung im Ganzen, wenn der Verpächter betriebliche Einkünfte erzielt, die Verpachtung unbefristet erfolgt und der Pächter als Erbe eingesetzt worden ist. Die vierte Ausnahme regelt den sog. Zinsschrankenkonzern im Sinne des § 4h Abs. 3 EStG. Die fünfte in der Praxis sehr wichtige Ausnahme umfasst die Überlassung von Grundstücken, Grundstücksteilen, grundstücksgleichen Rechten und Bauten, wenn diese zum Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft oder zum Vermögen einer Kapitalgesellschaft gehören, deren Hauptzweck in der Vermietung von eigenen Wohnungen besteht. Inwiefern diese Ausnahme in der Praxis greift, besteht zwischen der Finanzverwaltung und der Rechtsprechung Uneinigkeit. Die sechste Ausnahme betrifft Grundstücke, die an Dritte zur Nutzung im Rahmen von Lieferungsverträgen überlassen werden, um dem Absatz von eigenen Produkten und Erzeugnissen zu dienen. Die siebte Ausnahme regelt die Nutzungsüberlassung von Grundstücken an Dritte zur land- und forstwirtschaftlichen Nutzung. Die achte Ausnahme schließlich, die von der Finanzverwaltung entwickelt worden ist, betrifft die Nutzungsüberlassung von Grundstücken, bei der weitere gewerbliche Leistungen erbracht werden und die Tätigkeit ertragsteuerlich insgesamt als gewerblich einzustufen ist.
  • Anteile an Kapitalgesellschaften, die zwar zum Betriebsvermögen gehören, die Höhe der konkreten Beteiligung jedoch 25 % oder weniger beträgt. Bei Stimmbindungsverträgen (Poolvereinbarungen) können auch Anteile begünstigt werden, die erst zusammengerechnet 25 % des Nennkapitals einer Kapitalgesellschaft übersteigen. Werden Anteile an Kapitalgesellschaften von Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstituten gehalten, gehören diese nicht zum Verwaltungsvermögen.
  • Kunstgegenstände, Kunstsammlungen, Archive, Münzen, Edelmetalle, Oldtimer, Yachten sowie sonstige Gegenstände, die typischerweise der privaten Lebensführung dienen, wenn nicht der Hauptzweck eines Betriebes darin besteht, mit diesen Gegenständen zu handeln, diese Gegenstände herzustellen, zu verarbeiten oder an Dritte entgeltlich zur Nutzung zu überlassen.
  • Wertpapiere und vergleichbare Forderungen, wenn sie nicht zum Betriebsvermögen eines Kreditinstitutes oder eines Finanzdienstleistungsinstitutes gehören.
  • Zahlungsmittel, Geschäftsguthaben, Geldforderungen und andere Forderungen (Finanzmittel), soweit deren gemeiner Nettowert 15 % des maßgeblichen Werts des Betriebsvermögens übersteigt. Sind betreffende Finanzmittel dem Betrieb im Zeitpunkt der Steuerentstehung weniger als 2 Jahre zuzurechnen (sog. junge Finanzmittel), gehören diese in jedem Fall zum Verwaltungsvermögen und sind in keinem Fall begünstigt, sofern sie nicht zum Betriebsvermögen eines Kreditinstitutes, eines Finanzdienstleistungsinstituts, eines Wertpapierinstituts oder eines Versicherungsunternehmens gehören. Übersteigt der gemeine Nettowert der Finanzmittel nicht 15 % des anzusetzenden Betriebsvermögens, gehören diese Finanzmittel nicht zum Verwaltungsvermögen. Betragen Finanzmittel mehr als 15 % des maßgeblichen Betriebsvermögens, gehören sie nach Abzug von unschädlichen 15 % zum Verwaltungsvermögen.

Gehört das übrige Verwaltungsvermögen mit Ausnahme von Finanzmitteln dem Betrieb weniger als 2 Jahre, ist es als das sog. junge Verwaltungsvermögen in jedem Fall nicht begünstigt. Die Finanzverwaltung geht davon aus, dass das junge Verwaltungsvermögen auch dann vorliegt, wenn es innerhalb von 2 Jahren vor Steuerentstehung mit betrieblichen Mitteln angeschafft oder hergestellt worden ist. Damit sind junge Finanzmittel und das junge Verwaltungsvermögen in jedem Fall nicht begünstigt und unterliegen der Schenkung- oder Erbschaftsteuer. Bestimmte Teile des begünstigungsfähigen Vermögens, die zur Erfüllung von betrieblichen Altersvorsorgeverpflichtungen gegenüber Arbeitnehmern vorgehalten werden, gehören nicht zum Verwaltungsvermögen, sofern sie dem Zugriff anderer Gläubiger entzogen sind. Übersteigt der Nettowert des Verwaltungsvermögens, sofern es sich nicht um das junge Verwaltungsvermögen handelt, 10 % des Werts des Betriebsvermögens, gehört es nicht zum schädlichen Verwaltungsvermögen. Besteht das begünstigungsfähige Vermögen zu mindestens 90 % aus Verwaltungsvermögen, ist ein solches Betriebsvermögen komplett nicht begünstigt.

Warum Schulden nicht zum Verwaltungsvermögen gehören

Nicht zum Verwaltungsvermögen gehören Schulden, die zum maßgeblichen Bewertungsstichtag zum Betriebsvermögen gehören. Diese umfassen insbesondere Rückstellungen, Sachleistungsverpflichtungen und Fremdkapital, z. B. Darlehensverbindlichkeiten gegenüber Gesellschaftern. Allerdings können keine Schulden abgezogen werden, die den Steuerschuldner wirtschaftlich nicht belasten. Nicht abzugsfähig ist auch der Schuldenstand zum Zeitpunkt der Steuerentstehung, soweit dieser den durchschnittlichen Schuldenstand innerhalb der letzten 3 Jahre vor Steuerentstehung übersteigt. Hiervon macht das Gesetz wiederum eine Ausnahme und lässt den Schuldenabzug zu, soweit die Erhöhung des Schuldenstands durch die Betriebstätigkeit veranlasst ist.

Sind Vermögensgegenstände eines Betriebsvermögens zum Verwaltungsvermögen zuzurechnen, entfällt rückwirkend eine solche Zurechnung, wenn bei einem Erwerb von Todes wegen der Erwerber diese Vermögensgegenstände innerhalb von 2 Jahren ab Steuerentstehung nach einem noch vom Erblasser gefassten Plan in Vermögensgegenstände des begünstigungsfähigen Vermögens investiert hat, die unmittelbar einer gewerblichen Tätigkeit dienen und kein Verwaltungsvermögen sind (Investitionsklausel).

Der Verschonungsabschlag von 85 %

Wird das so ermittelte begünstigte Vermögen durch eine Schenkung oder durch einen Erwerb von Todes wegen erworben, gewährt der Gesetzgeber dem Erwerber den sog. Verschonungsabschlag von 85 % (Regelverschonung) und einen zusätzlichen Abzugsbetrag von maximal 150.000 €, wenn der Wert des begünstigten Vermögens 26 Millionen € nicht übersteigt. Auf Antrag gewährt der Gesetzgeber einem Erwerber des begünstigten Vermögens den Verschonungsabschlag von 100 %, (Optionsverschonung), wenn der Wert des begünstigungsfähigen Vermögens maximal aus 20 % des Verwaltungsvermögens besteht und das begünstigte Vermögen nicht den Wert von 26 Millionen € übersteigt.

Die Verschonung des Betriebsvermögens fällt rückwirkend weg, soweit der Erwerber innerhalb von 5 Jahren (bei Regelverschonung) bzw. innerhalb von 7 Jahren (bei Optionsverschonung) gegen die Behaltensregelungen verstößt, z. B. wenn er den geschenkten oder geerbten begünstigten Betrieb oder dessen wesentliche Betriebsunterlagen veräußert oder aufgibt. Das Gleiche gilt, wenn der Erwerber innerhalb dieser Behaltefristen von 5 bzw. 7 Jahren Überentnahmen von mehr als 150.000 € tätigt. Eine weitere Voraussetzung für das Aufrechterhalten der gesetzlichen Regel- oder Optionsverschonung ist das Einhalten der Lohnsummenregelung des § 13a Abs. 3 ErbStG: Dabei dürfen die jährlichen Lohnsummen des Betriebes bestimmte gestaffelte Prozentsätze der Ausgangslohnsumme nicht unterschreiten.

Dr. jur. Alex Janzen

Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Bank- und KapitalmarktrechtRechtsanwaltskanzlei Dr. jur. Alex Janzen

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