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Allgemeinmedizin

Mikroplastik im Gehirn: Neue Studiendaten aus der Tierforschung

Eine aktuelle Studie zur Anreicherung von Mikroplastik im Gehirn hat die Frage nach den Folgen der ubiquitären Kunststoffbelastung für unsere Gesundheit wieder in den Fokus gerückt. Eine chinesische Arbeitsgruppe hat Mäusen fluoreszenzmarkiertes Mikroplastik oral über das Trinkwasser oder per Injektion zugeführt und dessen Verteilung in vivo untersucht.

Nach der Injektion von Polystyrol-Mikroplastik mit einem Durchmesser von 5 µm dauerte es nur zehn Minuten, bis Fluoreszenzsignale in zerebralen Blutgefäßen nachweisbar waren; bei Applikation über das Trinkwasser brauchte es rund zweieinhalb Stunden. 

Immunreaktion auf Mikroplastik: Phagozytose und Gefäßblockaden

Das Mikroplastik zirkulierte allerdings nicht frei im Blutstrom der Hirngefäße, sondern wurde phagozytiert, nach Analyse der Autoren von Neutrophilen und Makrophagen des Immunsystems. Anders als Krankheitserreger oder andere Fremdkörper ließen sich diese Kunststoffpartikel allerdings nicht durch die Fresszellen zerstören.

Stattdessen wurden die Immunzellen durch die ungewöhnliche Last unflexibler, manche blieben in den feinen Blutgefäßen des Mäusegehirns hängen – die Autoren sprechen von zerebraler Thrombenbildung, die zum Teil mehr als eine Woche lang bestehen blieb. Diese Gefäßblockade nahm ab mit der Größe der Mikroplastikpartikel und der injizierten Konzentration.

Verhaltensänderungen bei Mäusen durch Mikroplastik

Mit der Akkumulation des Mikroplastiks gingen bei den Mäusen neurologische Probleme einher. Die Tiere konnten sich schlechter orientieren, sie bewegten sich langsamer als sonst und zogen sich stärker von der Gruppe zurück, zeigten also depressive Tendenzen.

Expertenmeinungen zur Übertragbarkeit auf den Menschen

Die Relevanz der Studienergebnisse für den Menschen wird von deutschsprachigen Experten allerdings infrage gestellt. „Die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen ist unklar, da sich Maus und Mensch in wesentlichen physiologischen Parametern der Gefäßfunktion unterscheiden – insbesondere in Bezug auf Gefäßgröße, Flussdynamik und Immunantwort“, sagt Prof. Arthur Liesz, München. 

Während die Autoren der Studie die getesteten Konzentrationen von Mikroplastik als vergleichbar mit der tatsächlichen Exposition von Menschen bezeichneten, hält zum Beispiel Prof. Elvira Mass, Bonn, sie nach aktuellen Daten für unrealistisch. „Darüber hinaus ist die physiologische Relevanz der experimentellen Vorgehensweise fragwürdig, da Mikroplastik beim Menschen vor allem über Nahrung und Getränke aufgenommen wird und nicht direkt in den Blutkreislauf injiziert wird“, kritisiert die Immunsystemforscherin. 

Beim Menschen können andererseits viel längere Mikroplastik-Expositionszeiten vorliegen, bei denen auch kleine Mengen akkumulieren könnten, gibt Prof. Marcel Leist, Konstanz, zu bedenken. „Solche Fragen werden durch die Studie aufgeworfen und es wird mit Recht nahegelegt, dass dies geklärt werden sollte“, so der Toxikologe.

Bioakkumulation im Gehirn

Eine andere aktuelle Arbeit untersuchte die Bioakkumulation von Mikroplastik in Organen Verstorbener. In Hirngewebe fanden sich 7- bis 30-fach höhere Anteile an Polyethylen-Partikeln als in Leber und Niere, hauptsächlich in Form von scherbenartigen Fragmenten im Nanometerbereich. Die Konzentrationen unterschieden sich signifikant nach Todeszeitpunkt und waren 2024 größer als 2016. Bei Verstorbenen mit dokumentierter Demenz fanden sich noch größere Mikroplastikkonzentrationen, mit Ablagerungen in Gefäßwänden und Immunzellen.

Mikroplastik vermeiden: Praktische Alltagstipps

  • Apps wie CodeCheck oder ToxFox können die Produkt-Barcodes auswerten und so beim Einkauf helfen, auf Mikroplastik zu verzichten.

  • Gusseisenprodukte sind eine Alternative zu Teflonpfannen, von denen sich die Anti-Haft-Beschichtung als Mikroplastik ablösen kann.

  • Baumwolllappen statt Mikrofasertücher sind beim Spülen oder Putzen eine Option.

  • ÖPNV, Fahrrad sowie Zufußgehen statt Auto verringern Mikroplastik-Emissionen durch Reifenabrieb.

Quelle:

Huang H et al. Sci. Adv. 2025;11,eadr8243

Nihart AJ et al. Nature Med. 2025;doi:10.1038/s41591-024-03453-1

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