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Für Menschen mit chronischen Erkrankungen stellt das regelmäßige Blutabnehmen einen wesentlichen Teil ihrer ärztlichen Betreuung dar. Oft sind Blutuntersuchungen sogar der Hauptgrund für den persönlichen Praxisbesuch. Das Projekt „Blut mobil“, unter der Leitung von Prof. Dr. Alexandra Dopfer-Jablonka und Prof. Dr. Georg Behrens von der Klinik für Rheumatologie und Immunologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), hat zum Ziel, diesen Aufwand erheblich zu reduzieren.

„Blut mobil“ sieht vor, dass sich Patienten zu Hause selbst eine geringe Menge Blut abnehmen und diese Probe dann per Post an ein Labor senden. Die Ergebnisse der Analyse werden an die betreuende Facharztpraxis übermittelt.

Effizienzsteigerung und Entlastung für Patienten und Praxen

Das würde nicht nur das Personal in den Arztpraxen deutlich entlasten, sondern auch den ohnehin schon stark belasteten Patienten helfen. Insbesondere in ländlichen Gebieten, wo die nächste Arztpraxis oft weit entfernt ist, ist der Aufwand für Betroffene immens. Auch für ältere oder ortsabhängige Menschen, Berufstätige und Pflegepersonen könnte dieses Konzept von großem Nutzen sein.

„Wir setzen in der ärztlichen Betreuung zunehmend Telemedizin ein, um Patientinnen und Patienten unnötige Wege zu ersparen, aber für rheumatologische und viele andere fachärztliche Praxen funktioniert das nicht“, erklärt Prof. Dopfer-Jablonka. Denn oft werden Blutwerte als Biomarker benötigt, um den Gesundheitszustand der chronisch Kranken zu kontrollieren und auf Basis dieser Werte Medikamente zu verschreiben oder die Medikation anzupassen. Und die werden bislang ausschließlich vom klinischen Personal in den Praxen oder Klinikambulanzen entnommen.

Erste Erfahrungen mit selbst auslösenden Entnahmesystemen in der Pandemie

Dass das häusliche Blutentnahmekonzept grundsätzlich funktionieren kann, haben die Forscher bereits bewiesen. Während der Pandemie benötigten sie Blutproben von Corona-Betroffenen. Da die Probanden im Lockdown nicht zur MHH einbestellt werden konnten, versendeten die Forschenden fertige Blutentnahmesets und ließen sich die Proben zurückschicken.

Die Erfahrungen haben gezeigt, dass Patienten die selbst auslösenden Entnahmesysteme nach einer kurzen Anleitung sicher nutzen konnten. Weil sich die Analysetechnik in den letzten Jahren stark verfeinert hat, genügen außerdem schon geringste Blutmengen für eine Laborbestimmung. Auch die Qualität der Blutproben kann offenbar mit denen mithalten, die von medizinischem Personal in einer Praxis oder in Krankenhausambulanzen entnommen wurden.

Blutentnahmepäckchen per Post

Und so könnte das „Blut mobil“-Konzept aussehen: Anstatt vierteljährlich für Blutuntersuchungen zur Praxis zu fahren, könnten Patienten nur einmal im Jahr persönlich vorstellig werden und für die restlichen Quartale Blutentnahmepäckchen per Post erhalten. Die Analyseergebnisse könnten dann telefonisch oder per Videosprechstunde besprochen werden und verschriebene Medikamente könnten elektronisch verschickt und eingelöst werden. So würden auch gleichzeitig die Praxen entlastet, die weniger Termine für Routine-Blutentnahmen einplanen müssen.

Im ersten Schritt soll eine umfassende Befragung von niedergelassenen rheumatologischen Ärztinnen und Ärzten sowie von Patientinnen und Patienten einmal klären, welche Bedürfnisse auf beiden Seiten bestehen. „Das System muss für alle möglichst einfach zu handhaben und gleichzeitig zuverlässig sein“, sagt Prof. Dopfer-Jablonka.

Zukünftige Perspektiven und Erweiterung

Langfristig würde sich das System auch auf andere fachärztliche Bereiche und weitere Versorgungsangebote ausdehnen lassen – etwa die ambulante oder stationäre Pflege, Rettungsdienste oder die medizinische Forschung. „Bislang muten wir Teilnehmenden unserer klinischen Studien mitunter für eine einzige Blutentnahme eine weite Anreise zur MHH zu“, sagt die Oberärztin. „Das ist nicht mehr zeitgemäß.“

Weitere Informationen erhalten Sie bei Prof. Dr. Alexandra Dopfer-Jablonka, jablonka.alexandra@mh-hannover.de

Quellen: MHH, idw-online.