WHO rückt Hautkrankheiten ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit
Dr. Melanie SöchtigObwohl Hautkrankheiten zu den gravierendsten Gesundheitsproblemen weltweit zählen, werden sie in der medizinischen Versorgung oft vernachlässigt. Die Weltgesundheitsorganisation hat jetzt eine Resolution verabschiedet, die Akteure des Gesundheitswesens zum Handeln auffordert.
Im Rahmen der 78. Weltgesundheitsversammlung (World Health Assembly, WHA) Ende Mai 2025 haben die Mitgliedstaaten der Weltgesundheitsorganisation (World Health Organisation, WHO) Hautkrankheiten auf der globalen Gesundheitsagenda priorisiert. Die Resolution „Skin diseases as a global public health priority” fordert die national zuständigen politischen Akteure des Gesundheitswesens dazu auf, Programme zur Prävention, Früherkennung, wirksamen Behandlung und langfristigen Versorgung von Hautkrankheiten zu entwickeln.
Wichtige Eckpunkte der WHA-Resolution im Überblick
Stärkung der Primärversorgung und der Ausbildung des Personals
Verbesserung des Zugangs zu Diagnostik und leitliniengerechten Behandlungsoptionen
Integration der Hautgesundheit in die Politikbereiche Behinderung, Rehabilitation und psychische Gesundheit
Förderung von Forschung und Innovationen, einschließlich digitaler Instrumente und Teledermatologie
Wendepunkt: Hautkrankheiten erstmals politisch priorisiert
„Diese Resolution markiert einen Wendepunkt“, erklärte Jennifer Austin, CEO der International Alliance of Dermatology Patient Organizations (GlobalSkin) in einer Pressemitteilung. „Zum ersten Mal wurden die Stimmen der Menschen, die mit Hautkrankheiten leben, von Gesundheitsministern auf der ganzen Welt wirklich gehört. Jetzt müssen wir zusammenarbeiten, um diese Verpflichtung in sinnvolle und dauerhafte Maßnahmen umzusetzen.“
Globale Krankheitslast: Hautleiden unter den Top 10 weltweit
Wie wichtig dieser Schritt ist, untermauern die Ergebnisse der Global Burden of Disease Study 2021. Dort wurden die Disability-adjusted life years (DALYs) für 371 Erkrankungen weltweit berechnet. DALYs umfassen die Anzahl verlorener Lebensjahre aufgrund vorzeitigen Todes sowie die Anzahl der Jahre, die mit Krankheit oder Behinderung gelebt werden. Sie sind ein gängiges Maß für die Krankheitslast in der Bevölkerung.
Im Rahmen der Studie ermittelten die Autoren insgesamt 4,69 Milliarden Fälle von Haut- und Unterhauterkrankungen aus 204 Ländern und Regionen. Die dadurch ausgelöste Krankheitslast wurde auf 41,9 Millionen DALYs geschätzt. Damit rangieren dermatologische Erkrankungen unter den zehn gravierendsten gesundheitlichen Beeinträchtigungen weltweit.
Dermatologische Erkrankungen oft unterschätzt – auch im Gesundheitswesen
„In den allermeisten Ländern ist das Bewusstsein für Hautkrankheiten nach wie vor gering. Das gilt leider für Beschäftigte im Gesundheitswesen ebenso wie für die Öffentlichkeit“, äußerte sich Prof. Swen Malte John, Leiter der Abteilung Dermatologie der Universität Osnabrück und Mitglied des WHO-Komitees der globalen Dachorganisation dermatologischer Fachgesellschaften (International League of Dermatological Societies, ILDS) in einer Pressemitteilung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG).
Erfolgreiche Modelle aus Deutschland: Stigmatisierung abbauen, Versorgung stärken
Vor diesem Hintergrund verwies John auf ein vom Bundesgesundheitsministerium gefördertes Projekt, das auf die Entstigmatisierung von Menschen mit sichtbaren chronischen Hauterkrankungen abzielte und im Nachgang der WHA-Resolution zu Psoriasis aus dem Jahr 2014 ins Leben gerufen wurde. Laut DDG gibt es bis heute Folgeprojekte in Zusammenarbeit mit dem Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVDD) und dem Institut für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen (IVDP), die erfolgreich verlaufen.
Aufruf an Politik und Fachgesellschaften: Umsetzung jetzt erforderlich
Abschließend verwies John auf die Notwendigkeit, dass Politiker, Ministerien, dermatologische Fachverbände und Patientenorganisationen an einem Strang ziehen, um die Agenda der Resolution „Skin diseases as a global public health priority” umzusetzen und entsprechende strategische Ziele zu entwickeln: „Wir sehen hier die neue Bundesgesundheitsministerin Nina Warken und die Gesundheitsministerien auf allen Ebenen in der Pflicht. Die DDG und der BVDD werden ihre Expertise in diesen Prozess aktiv einbringen.“
Quelle:Ferrari, Alize J et al.The Lancet, Volume 403, Issue 10440, 2133 - 2161