Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Steuern

Schlimmer geht’s immer. Das zeigt der Fall eines Arztes, der nach seinem Praxisverkauf den sogenannten halben Steuersatz in Anspruch nehmen wollte.

Er hatte sich 2016 aus einer Gemeinschafts­praxis zurückgezogen und seine Anteile verkauft. Für den erzielten Veräußerungsgewinn beantragte er den ermäßigten Steuersatz nach § 34 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG). Dieser sogenannte halbe Steuersatz beträgt 56 Prozent des normalen Steuersatzes. Jeder Steuerpflichtige kann ihn nur einmal im Leben in Anspruch nehmen.

Fehler des Finanzamts wirkt sich fatal aus

Das Finanzamt lehnte seinen Antrag ab und berücksichtigte stattdessen die Fünftelregelung (§ 34 Abs. 1 EStG). Danach wird eine Einnahme so behandelt, als ob der Empfänger sie gleichmäßig verteilt über die folgenden fünf Jahre erhalten würde. Die Begründung: Der Arzt habe den „halben Steuersatz“ bereits in Anspruch genommen. Was war passiert?

Das Finanzamt hatte zehn Jahre zuvor Einkünfte des Arztes in Höhe von 39.932 Euro als Veräußerungsgewinn erfasst und dafür den halben Steuersatz gewährt. Tatsächlich handelte es sich bei der Zahlung aber um Nachzahlungen der Kassenärztlichen Vereinigung an die Gemeinschaftspraxis. Den halben Steuersatz hatte der Arzt 2006 gar nicht beantragt.

Steuersatzermäßigung auch nach Finanzamt-Fehler weg

Das Finanzgericht Schleswig-Holstein entschied zunächst zugunsten des Arztes. Der Bundesfinanzhof (BFH) stärkte nun den Fiskus (28.09.2021, Az. VIII R 2/19). Er machte zunächst deutlich, dass die Steuersatzermäßigung definitiv nur einmal im Leben in Anspruch genommen werden kann. Dies gelte selbst dann, wenn die Vergünstigung in der Vergangenheit zu Unrecht gewährt und vom Steuerpflichtigen überhaupt nicht beantragt wurde.

Anders könne man die Sache nur dann beurteilen, wenn sich der halbe Steuersatz in der früheren Steuerfestsetzung nicht ausgewirkt hätte oder durch Anfechtung noch rückgängig gemacht werden könne. Das war hier jedoch nicht mehr möglich, da der Steuerbescheid bereits bestandskräftig geworden war.

Grundsatz von Treu und Glauben

Der Arzt berief sich auf den Grundsatz von Treu und Glauben – ohne Erfolg. Voraussetzung dafür wäre gewesen, dass der Irrtum des Finanzamts für den Steuerpflichtigen nicht erkennbar war. Das war hier aber nicht der Fall. Hätte der Arzt den Steuerbescheid 2006 genauer gelesen, hätte ihm die Gewährung des halben Steuersatzes auffallen können.

Das Urteil zeigt, wie wichtig es ist, jeden Steuerbescheid genauestens zu prüfen und im Zweifel anzufechten. Denn im Ergebnis bedeutet das Urteil für den Arzt, dass er für die Veräußerung seiner Praxis mehr Steuern zahlen muss.

Beispielrechnung: alleinstehender, 65 Jahre alter Arzt, Praxisveräußerung 2022
Gewinn 200.000 €
Einkommensteuer 78.842 €
halben Steuersatz (56 %) 44.152 €
Steuerersparnis 34.090 €