Was Krankenversicherte über Wahltarife wissen sollten
A&W RedaktionRückerstattung des Beitrags, bessere Versorgung: Wahltarife der gesetzlichen Krankenversicherungen klingen meist verheißungsvoll. Doch Versicherte sollten vor einer Entscheidung, Details genau prüfen.
Wie vieles im Leben haben auch Wahltarife ihre Vor- und Nachteile: Gesetzliche Krankenkassen haben unterschiedlich viele Wahltarife im Angebot. Manche können sie ihren Mitgliedern freiwillig anbieten, andere müssen sie im Programm haben.
Bei einigen Tarifen geht es darum, chronisch Kranke besser zu versorgen. Bei anderen zahlt die Kasse Gesunden unter bestimmten Voraussetzungen zum Beispiel bis zu einem Monatsbeitrag zurück.
Klingt alles verlockend, aber: «Versicherte sollten sich keinesfalls leichtfertig für den einen oder anderen Wahltarif entscheiden und genau prüfen, ob für sie ein finanzielles Risiko entsteht», sagt Peter Grieble von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.
Zusätzliche Leistungen für treue Kunden
Dafür spricht: Wahltarife bieten Versorgungsleistungen, für die Krankenkassen sonst nicht unbedingt aufkommen – oder die sich durch besondere Qualitätsvorgaben auszeichnen.
Aber bei Wahltarifen gibt es – abgesehen von finanziellen Risiken – meist eine Bindungspflicht für ein bis drei Jahre. In dieser Zeit können Versicherte ihre Krankenkasse nicht wechseln – es sei denn, die Kasse erhöht den Zusatzbeitrag, so Grieble.
Versicherte müssen den Wahltarif zwei Wochen vor Ablauf der Bindungsfrist kündigen, sonst verlängert er sich automatisch. Generell ist für Versicherte das Wahltarif-Angebot immer freiwillig.
Auf Risiken und Kosten achten
«Gerade der Wahltarif ‘Kostenerstattung’ birgt hohe finanzielle Risiken», warnt Grieble. Bei diesem Modell bekommen gesetzlich Versicherte eine vergleichbare Versorgung wie Privatpatienten. Dafür zahlen sie einen Zuschlag.
Wie Privatpatienten begleichen sie Arztrechnungen zunächst selbst und reichen sie dann bei ihrer Kasse ein. Aber: Die Kasse übernimmt die Behandlungskosten nicht immer komplett. «Für den Rest muss der Patient selbst aufkommen, das kann den Verbraucher ruinieren.»
Ein weiterer Wahltarif, den Krankenkassen freiwillig anbieten, ist etwa die Beitragsrückerstattung: Nehmen Versicherte längere Zeit keine Leistungen in Anspruch, erstattet die Kasse ihnen maximal einen Monatsbeitrag pro Jahr. «Vorsorgeuntersuchungen und einige Schutzimpfungen sind davon unberührt», erklärt Grieble.
Versicherte gehen hier zwar kein Risiko ein, da die Kasse bei Krankheit zahlt. «Manch einer könnte aber dazu verleitet werden, bei Beschwerden nicht rechtzeitig zum Arzt zu gehen, um die Prämie nicht zu gefährden», sagt Sabine Baierl-Johna von der Stiftung Warentest. Das kann sich negativ auf die Gesundheit auswirken.
Einen Teil der Kosten selbst übernehmen
Ein anderer Wahltarif dreht sich um die Selbstbeteiligung. Dabei verpflichten sich Versicherte im Krankheitsfall einen Teil der Behandlungskosten selbst zu tragen. Im Gegenzug erhalten Versicherte eine Prämie von maximal 600 Euro pro Jahr.
Grieble nennt ein Beispiel: Ein Versicherter vereinbart mit seiner Kasse, eventuell anfallende Kosten für Arzt, Arzneimittel oder einen Klinikaufenthalt bis zu einer Höhe von 900 Euro selbst zu zahlen. Liegen die tatsächlichen Ausgaben des Patienten für medizinische Behandlungskosten bei 300 Euro, hat sich bei einer Prämie von 600 Euro die Beitragslast aufs Jahr gerechnet um 300 Euro reduziert.
Manche Wahltarife müssen die Krankenkassen anbieten
Die Krankenkassen sind verpflichtet einige Wahltarife anzubieten – etwa Hausarztversorgung, integrierte Versorgung, strukturierte Behandlungsprogramme für chronisch Kranke, Krankengeld für Selbstständige.
Bei der Hausarztversorgung gehen Versicherte für mindestens ein Jahr bei Beschwerden immer zuerst zum Hausarzt. Dort bekommen sie wenn nötig eine Überweisung zur Fachärztin. Dafür winken Vergünstigungen wie eine Beitragserstattung. Aber: «Prüfen Sie, ob Ihr Hausarzt überhaupt an einem solchen Programm teilnimmt», rät Grieble.
Bei der integrierten Versorgung koordiniert die jeweilige Kasse die Behandlung von Krankheiten wie Krebs über Netzwerke aus Ärzten, Kliniken und Reha-Einrichtungen. Vor einer Entscheidung dazu, empfiehlt Grieble Interessierten, sich zu erkundigen, «wie die Sicherheit ihrer Daten gewährleistet ist.»
Das strukturierte Behandlungsprogramm kann für Diabetiker, Brustkrebs-Patientinnen oder etwa Herzkranke ein Gewinn sein. Hier stimmen Ärzte verschiedener Fachrichtungen die Behandlungsschritte ab. Das Ziel: chronisch Kranke besser und koordinierter zu versorgen.
Wie viel Krankenversicherte einen Wahltarife in Anspruch nehmen
Insgesamt haben weniger als ein Prozent der Versicherten einen der Wahltarife für Selbstbehalt, Kostenerstattung, Prämie für die Nichtinanspruchnahme von Leistungen oder Krankengeld abgeschlossen. Also eine vergleichsweise niedrige Zahl, sagt Sabine Baierl-Johna von der Stiftung Warentest. Sie beruft sich dabei auf Statistiken des Bundesgesundheitsministeriums.
Anders sieht es bei den Wahltarifen für die besondere Versorgung aus – etwa die Hausarztversorgung und strukturierte Behandlungsprogramme für chronisch Kranke. «Hier nehmen rund 20 Prozent der Versicherten teil», so Baierl-Johna. Ein hoher Anteil also, bezogen auf alle gesetzlich Versicherten.
Autorin: Sabine Meuter, dpa