Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Praxis

Die analysierten Google-Bewertungen machen deutlich, dass Patienten bei einem Arztbesuch – neben dem gesundheitlichen Grund ihres Besuchs – ein Bündel von emotionalen Erwartungen haben: Sie wollen vom Praxisteam freundlich und respektvoll behandelt werden (vermutlich auch, wenn sie es selbst nicht so handhaben), sie wünschen sich Behandler, die freundlich, einfühlsam und verständnisvoll sind und sich viel Zeit nehmen.

Die große Bedeutung des Praxisteams

49,9 % der Patienten, die eine Praxis mit vier oder fünf Sternen bewerten, begründen ihre Zufriedenheit mit der Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft des Praxisteams. Dies macht deutlich, dass man die Bedeutung des Praxisteams für die Gesamtwahrnehmung einer Praxis kaum überschätzen kann. Fast alle Praxisinhaber wissen das, zumindest äußern sie, z. B. in Umfragen der Stiftung Gesundheit, dass sie das Praxispersonal als sehr wichtiges Marketinginstrument sehen. Offen bleibt, wie viele Praxisinhaber diese Erkenntnis auch in konkrete Maßnahmen umsetzen. Unsere Auswertung der Patientensicht könnte man als Impuls nehmen, stärker in das Team zu investieren.

Einige Ideen:

  • Fortbildungen in kommunikativen Fähigkeiten, in Praxisorganisation und Praxismanagement.
  • Motivation: Dem Team immer wieder klarmachen, wie wichtig es ist und welche Erwartungen die Praxis an jedes einzelne Teammitglied hat (mehr zum Thema Motivation in Praxisteams lesen Sie hier).
  • Kontrolle: Korrigierend eingreifen, falls etwas nicht wunschgemäß läuft. Viele Praxisinhaber scheuen davor zurück, weil sie Kündigungen oder schlechte Stimmung im Team befürchten.
  • Google-Check: Einmal wöchentlich die Google-Bewertungen (= Gratis-Feedback für die Praxis) prüfen und sofort besprechen, wenn eine Bewertung das Team betrifft, egal ob positiv oder negativ.

Wie lassen sich die emotionalen Erwartungen an den Behandler erfüllen bzw. sogar übertreffen? Nicht jeder Arzt ist ein „großer Kommunikator“, begnadeter Zuhörer oder begeisterter Small-Talker bzw. will es gar nicht sein. Kein Problem: Es gibt andere Wege, die emotionalen Erwartungen der Patienten zu erfüllen.

Man kann z. B. die vom Patienten subjektiv wahrgenommene Zeit der Behandlung erhöhen. Eine Alltagserfahrung: Je gestresster ein Arzt wirkt, desto eher haben Patienten das Gefühl, dass sie nicht die gewünschte Aufmerksamkeit und Zuwendung bekommen. Jede Unterbrechung – z. B. durch MFA, Telefon etc. – erleben Patienten als Verringerung ihres Zeitbudgets. Wenn ein Behandler ruhig und entspannt ist und Gespräch und Untersuchungen störungsfrei ablaufen, können fünf Minuten in der Wahrnehmung des Patienten zu zehn Minuten werden.

Eine weitere Möglichkeit, die emotionalen Erwartungen der Patienten zu erfüllen, besteht in der „Delegation“ an das Praxisteam. Je herzlicher und ausgiebiger sich das Praxisteam mit den Patienten beschäftigt, desto eher sind die „emotionalen Batterien“ des Patienten aufgeladen, wenn er oder sie das Sprechzimmer betritt.

Eine Investition in die Praxisatmosphäre kann sich lohnen

Ähnliche Wirkungen kann eine „emotionale Praxisausstattung“ erzielen. In den Google-Bewertungen haben wir Kommentare wie die folgenden gefunden: „supergemütliche Praxis“, „habe mich in den Praxisräumen sehr wohlgefühlt“, „tolle, entspannte Atmosphäre“. Es besteht also offensichtlich die Möglichkeit, durch Raumgestaltung, Möblierung, Atmosphäre, Getränke, Kaffeeautomat usw. die emotionalen Erwartungen der Patienten zu bedienen. So kann die Wartezeit – für die Praxis – zur produktiven Zeit werden.

Ein weiterer Tipp zum Thema Emotion und Zeitwahrnehmung: Viele Menschen neigen dazu, Zeitspannen miteinander zu vergleichen und eine Relation herzustellen. Konkret bedeutet dies: Je länger ich im Wartezimmer warten musste, desto höher sind die Erwartungen an die Zeit, die mir anschließend zur Verfügung steht. Eine Möglichkeit, daraus entstehenden Frust zu vermeiden, besteht in einem optimierten Bestellmanagement mit sehr kurzen Wartezeiten: Je kürzer die Zeit im Wartezimmer, desto länger ist das subjektive Erleben der Dauer des Arztkontakts bzw. die Akzeptanz einer kurzen Behandlung.

Hauptfaktor für schlechte Praxisbewertungen ist die telefonische Erreichbarkeit

20,7 % der Patienten, die eine Praxis mit nur 1 Punkt „strafen“, begründen dies mit der schlechten telefonischen Erreichbarkeit der Praxis.

Natürlich gibt es in jeder Praxis Stoßzeiten, zu denen besonders viele Patienten anrufen. Andererseits haben wir in einer kürzlichen Gruppendiskussion mit MFA gelernt, dass es Praxisteams gibt, die dem Telefon nicht die nötige Bedeutung beimessen und minutenlanges Läuten eines Telefons entspannt ertragen.

So können Sie den Problemfaktor Telefon entschärfen

Ein erster Schritt könnte darin bestehen, dem Team unmissverständlich die Bedeutung eines läutenden Telefons zu verdeutlichen. In vielen Service-Unternehmen gibt es die Anweisung, dass ein Anruf spätestens nach dem dritten Läuten entgegengenommen werden muss. Falls dies aus personellen Gründen nicht möglich ist, kann man über technische Lösungen nachdenken, um die Belastung der Telefonzentrale zu verringern.

Eine entsprechende Möglichkeit besteht z. B. darin, auf der Praxiswebsite ein Online-Termin-Management-System einzurichten. Dies erfordert zwar einen gewissen Startaufwand, wird aber von Patienten zunehmend als selbstverständlich wahrgenommen und positiv bewertet.

Zweite Möglichkeit wäre die Entscheidung für einen „digitalen Telefonassistenten“. Dabei handelt es sich um die digitale Weiterentwicklung des klassischen Anrufbeantworters. Der digitale Assistent meldet sich immer dann, wenn nach dem dritten oder vierten Läuten niemand den Anruf entgegennimmt. Das kann sein, wenn die Praxis geschlossen ist oder wenn alle Mitarbeiter mit etwas anderem beschäftigt sind. Er stellt dem Anrufer Fragen und zeichnet seine Antworten auf. Das Beste aber: Die Wünsche der Anrufer stehen anschließend in Schriftform auf den Praxis-PCs zur Verfügung. Zeitaufwendiges Abhören und Notieren von Anrufen ist nicht mehr nötig. Antworten kann man per E-Mail, SMS oder durch einen persönlichen Rückruf.

Allgemeine Erkenntnisse zur Vergabe der Sterne und zu den verbalen Bewertungen

Fünf Sterne geben treue Patienten oder solche, deren Erwartungen einmal oder mehrfach deutlich übertroffen wurden. Diese Rezensenten sind rundum zufrieden und empfehlen die Praxis bedenkenlos.

Bewertungen mit vier, drei oder zwei Sternen deuten auf anspruchsvolle Patienten hin, die nicht rundum zufrieden sind und sich die Mühe machen, differenziert zu bewerten. Diese Bewertungen sind für Arztpraxen besonders wichtig, weil sie gute Impulse für Optimierungen enthalten können.

Die Ein-Stern-Bewertungen auf Google unterscheiden sich in mehrfacher Hinsicht von den übrigen Bewertungen: Die überwiegende Mehrzahl geht auf singuläre Ereignisse zurück, die beim Patienten eine große Unzufriedenheit hervorgerufen haben. Beispiele: Die Praxisrezeption stuft den Patienten nicht als Notfall ein und bittet ihn, am nächsten Tag wiederzukommen. Der Patient beurteilt die Wartezeit subjektiv als ungebührlich lang und verlässt die Praxis. Der Patient kommt mit bestimmten Rezept- und/oder Behandlungswünschen, die nicht erfüllt werden.

Vom Tenor sind Ein-Stern-Bewertungen häufig emotional verfasst und verwenden gelegentlich Wörter, die nicht zur deutschen Schriftsprache gehören. Außerdem ist die sprachliche Ausdrucksfähigkeit mancher Verfasser unterdurchschnittlich oder das Niveau der Deutschkenntnisse als Fremdsprache ist ausreichend, um sich angemessen ausdrücken zu können. Mangelhafte Kenntnisse in Rechtschreibung sind ebenso auffällig.

Die meisten Patienten sind fair

Die meisten Patienten akzeptieren, wenn ein Kriterium – z. B. Wartezeit in der Praxis – nicht ganz okay ist, falls der Rest stimmt. Manche akzeptieren sogar gestresste MFA, weil sie anerkennen, dass der Job nicht einfach ist. Patienten mit akuten Problemen, vorwiegend bei Unfallchirurgen und Orthopäden, bewerten die kompetente Hilfe höher als Wartezeiten und unfreundliche MFA. Wenn die Leistung des Behandlers stimmt, wird vieles andere vergessen. Aber auch wer sehr freundlich empfangen wurde, tritt oft den Behandlern positiv gegenüber, dann kann sich ein Arzt auf sein „Handwerk“ konzentrieren.

* Der Autor: Dr. rer. oec. Gundolf Meyer-Hentschel ist Inhaber von Meyer-Hentschel Online World. Der erfahrene Unternehmens- und Praxisberater ist Autor/Hrsg. von neun Büchern. Den vollständigen Studienbericht mit vielen weiteren Ergebnissen und Praxistipps können Sie kostenfrei anfordern unter: https://mho.world/studie/

Technische Daten der Studie

Inhaltsanalytische Auswertung der Google-Bewertungen von 1.093 Patienten, die in 100 repräsentativ ausgewählten Arztpraxen in Deutschland in Behandlung waren. Stichprobe: geschichtete Zufallsstichprobe. Schichtungskriterium: alle zehn deutschen PLZ-Bereiche, aus denen je ein zweistelliger Bereich mit Zufallsgenerator ermittelt wurde, konkret: 12, 22, 34, 48, 55, 64, 75, 88, 99, 09. Innerhalb jedes PLZ-Bereichs wurden per Zufallsstichprobe zehn Praxen ausgewählt. Das gewählte Verfahren führte dazu, dass 39 % Hausarzt- und 61 % Facharztpraxen in die Stichprobe gelangten. Dieses Verhältnis entspricht ziemlich genau den im Bundesarztregister aufgeführten Zahlen (Stand: 31.12.2021) und kann als Hinweis auf die Güte der Stichprobe interpretiert werden. Bei jeder Praxis wurden die aktuellsten Bewertungen (max. 30 pro Praxis) in der Studie berücksichtigt. Erhebungszeitraum: 12. bis 15. Juli 2022.

Datenerhebung und Auswertung der Studie:
Meyer-Hentschel Online World, https://mho.world