Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Praxis

Es ist das siebte Mal, dass der Vorstand des GKV-Spitzenverbandes seinen „Bericht über die Arbeit und Ergebnisse der Stelle zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen“ vorlegt. Die jüngste Erhebung beleuchtet die Pandemie-Jahre 2020/2021 und fasst die Tätigkeitsberichte der 96 Mitgliedskassen zu einer GKV-Gesamtsicht zusammen.

Die bei den Kassen (und dem Verband) eingerichteten Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen gehen nach Maßgabe der § 197a SGB V und § 47a SGB XI Hinweisen nach, die auf „Unregelmäßigkeiten“ oder eine „rechtswidrige Nutzung von Finanzmitteln“ im Zusammenhang mit den Aufgaben der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung hindeuten. Ergibt eine Prüfung, dass eine relevante Straftat vorliegen könnte, sollen die Kranken- und Pflegekassen unverzüglich die Staatsanwaltschaft unterrichten.

Schäden für Krankenkassen bei mindestens 132 Millionen Euro

Auf den ersten Blick wirken die jüngsten Zahlen erst einmal erfreulich: Der aktuelle Bericht weist aus, dass die Zahl der Neufälle um 17 Prozent zurückgegangen ist. Das gab es noch nie. Auch verringerten sich die bei den Kassen angezeigten Fehlverhaltens-Hinweise um 6,5 Prozent:

  • 2018/2019: 42.350 Hinweise
  • 2020/2021 (während der Pandemie):  nur 39.600 Hinweise an die Kassen

Tatsächlich ist der Rückgang der Zahlen aber wohl kein Grund zur Freude. Er geht nach Einschätzung des Verbands auf die besonderen Umstände während der ersten Phase der Pandemie zurück, als unter anderem die Qualitäts- und Abrechnungsprüfungen des Medizinischen Dienstes ausgesetzt wurden. Der Ausnahmezustand in der Corona-Krise habe zudem die Hinweisprüfung und die Ermittlung von Neufällen verzögert und die Bearbeitung der Fälle deutlich verlangsamt.

Die entstandenen Schäden für die Kassen sind dennoch immens. Gernot Kiefer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbandes beziffert sie auf rund 132 Millionen Euro. Davon hätten die Kassen weniger als die Hälfte erfolgreich zurückholen können.

Zudem vermutet Kiefer, dass die Summe wohl nur ein Bruchteil des tatsächlichen Schadensumfangs ausmache, da die Dunkelziffer der Delikte sehr hoch sei.

Kriminologische Studie zu Abrechnungsbetrug gefordert

Gestützt werden die Aussagen des Verbands-Vorstands vom Bundeskriminalamt (BKA). Auch hier geht man bei Abrechnungsbetrug und Korruption im Gesundheitswesen von einem erheblichen Dunkelfeld aus. Die Bundesregierung müsse daher eine unabhängig geförderte kriminologische Studie zu diesem Bereich in Auftrag geben.

Die Analyse der Kassen zeigt zudem, dass grundsätzlich alle Leistungsbereiche der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung Probleme mit Betrügern haben: Die Abrechnung nicht erbrachter Leistungen, Tricksereien bei der Qualifikation oder Urkundenfälschung finden sich überall.

Häusliche Krankenpflege rückt in den Fokus

Die mit Abstand höchsten Forderungen – mehr als 14,96 Millionen Euro – konnten jedoch im Leistungsbereich der häuslichen Krankenpflege gesichert werden. In diesem Bereich sind auch die mit Abstand höchsten Schäden entstanden. Sie liegen bei 29,60 Millionen Euro. Diese Entwicklung ist neu und belegt nach Meinung des Verbands, dass sich die häusliche Krankenpflege zunehmend zu einem Brennpunkt der Fehlverhaltensbekämpfung im Gesundheitswesen entwickle.