4 Stellschrauben, um Arbeitszeit zu sparen
Dietmar KarweinaNiedergelassene Ärztinnen und Ärzte arbeiten im Schnitt 50 Stunden pro Woche. Umso wichtiger ist es, an den richtigen Stellschrauben zu drehen, um im eng getakteten Arbeitsalltag zeitliche Freiräume zu schaffen.
Es gibt Arztpraxen, deren Mitarbeitende unter einem hohen Stresspegel arbeiten, kaum Pausen und fast nie pünktlich Feierabend haben. Dort müssen auch Ärztinnen und Ärzte viel am Wochenende nacharbeiten. Dann gibt es aber auch wiederum Praxen, die straff organisiert sind und bei denen kaum Überstunden anfallen. Die Frage ist: Wie machen diese Arztpraxen das?
Stellschraube 1: Verborgene Zeitfresser entdecken
Eine wichtige Stellschraube, die sich Praxisinhaber anschauen können, sind die verborgenen Zeitfresser. Kommt man ihnen auf die Spur, ist es möglich, ein bis zwei Stunden Zeit pro Tag einzusparen. Vielen ist nicht bewusst, dass sie durchaus genügend Zeit für die Behandlung der Patienten, für Pausen und einen pünktlichen Feierabend hätten, wenn es nicht so viele Zeitfresser gäbe, die wertvolle Zeit rauben.
Eine erste Frage, die Praxischefs und Praxischefinnen analysieren können, ist: Wie viele der Gespräche an der Anmeldung und am Telefon sind sehr zeitaufwendig? Weniger als zehn pro Tag, 10 bis 20 pro Tag oder mehr als 20 Gespräche pro Tag? Mit zeitaufwändig sind Gespräche gemeint, bei denen die MFA an der Anmeldung den Terminwünschen der Patienten hinterherhecheln, weil es an diesem Tag nicht passt und an jenem auch nicht. Dieses Pingpongspiel kostet Zeit und Nerven.
Hier ist ein Praxisbeispiel für eine Zeitmessung der Gespräche an der Anmeldung und am Telefon aus einer Kinderarztpraxis mit zwei Ärzten: Die Praxis zählte an einem durchschnittlichen Tag 152 Kontakte am Telefon und an der Anmeldung. In 36 Gesprächen mussten sich die Anmeldekräfte für die schlechte telefonische Erreichbarkeit rechtfertigen. Das dauerte im Durchschnitt drei bis fünf Minuten – in der Summe waren das an einem Tag 126 Minuten!
Aber nicht nur an der Anmeldung summieren sich einzelne Diskussionsminuten auf wahre Zeitfresser. Auch im Kontext der ärztlichen Behandlung gibt es zeitliches Einsparpotenzial.
Eine Beispielrechnung verdeutlicht dies: Nehmen wir eine Einzelpraxis mit 1.200 Fällen pro Quartal. Sie können das Beispiel gerne mit den Zahlen Ihrer Praxis nachrechnen, damit Sie ein Ergebnis haben, das für Sie passt. Die Patientenzahl kann mit 1,5 multipliziert werden, weil es Patienten gibt, die häufiger in die Praxis kommen und mehrere Kontakte auslösen. Wenn Sie es mit einer effizienten Gesprächsführung schaffen, zwei Minuten pro Kontakt einzusparen, dann sind das in der Summe 3.600 Minuten, also 60 Stunden Zeitersparnis pro Quartal. Eine bewusste Gesprächsführung ist daher eine wichtige Stellschraube, die allerdings meistens unterschätzt wird.
Die 60 Stunden sind natürlich ein Durchschnittswert – mal wird es besser, mal auch weniger gut gelingen. Was Sie jetzt mit diesen freien Stunden machen, entscheiden Sie. Sie haben damit auf jeden Fall mehr Zeit, die administrativen Aufgaben während der Woche zu erledigen. Es bleibt also mehr Zeit am Wochenende für Familie, Freunde und Hobby.
Oder Sie können die Zeit auch in zusätzliche Patientenkontakte investieren, wenn Sie das möchten: Bei zehn Minuten pro Kontakt könnten Sie 360 Patienten mehr pro Quartal versorgen. Auch wirtschaftlich betrachtet ist das sehr attraktiv. Wenn wir mit einem Unternehmerlohn von 150 Euro pro Stunde rechnen und den mit 60 Stunden multiplizieren, ergibt das einen Mehrumsatz von 9.000 Euro pro Quartal.
Stellschraube 2: Zielführende Gesprächsführung anwenden
Aber wie schafft man es, ein Gespräch um zwei Minuten zu verkürzen? Hilfreich ist eine lenkende Gesprächsführung. Daher steigen Sie bitte nicht mit offenen Formulierungen ein wie: „Was führt Sie denn heute zu mir?“ oder: „Was kann ich heute für Sie tun?“ Nach einer solchen Gesprächseröffnung ist ein längeres Gespräch abzusehen und Sie verfehlen Ihr Ziel, zwei Minuten einzusparen.
Sie sollten dagegen gleich zu Beginn der Behandlung einen Fokus setzen: „Es geht um Ihre Bauchschmerzen – jetzt kümmere ich mich um dieses akute Problem!“ Wenn der Patient entgegnet: „Herr Doktor, wenn ich schon mal hier bin – ich habe da noch ein paar andere Themen, die ich gerne mit Ihnen besprechen möchte!“, benötigen Sie eine gute Antwort, um dem Patienten auf sympathische, aber bestimmte Weise zu sagen, dass dies nicht möglich ist. Zum Beispiel: „Das ist auch sehr wichtig – damit ich mehr Zeit für Sie habe und ich das in Ruhe mit Ihnen besprechen kann, vereinbaren Sie dafür bitte einen weiteren Termin.“
Stellschraube 3: Telefonische Erreichbarkeit maximieren
Schauen wir uns nun die nächste Stellschraube an: die telefonische Erreichbarkeit. Viele der Gespräche an der Anmeldung und am Telefon sind zeitaufwendig und verhindern, dass die Praxis für alle gut erreichbar ist. Wie groß das Problem sein kann, zeigte ich Ihnen vorhin mit der Zeitmessung in einer kinderärztlichen Praxis. Es gibt mehrere Lösungen, die ineinandergreifen, um eine bessere Erreichbarkeit und zugleich eine Zeitoptimierung ermöglichen. Als Erstes ist das Backoffice zu nennen. In einem Backoffice kann eine Telefonkraft ruhig und fokussiert telefonieren, weil sie allein ist und keine andere erstrangige Aufgabe hat, als zu telefonieren. Ruhige, fokussierte Gespräche sind in der Regel kürzere und effizientere Gespräche.
Wenn ein Backoffice in Ihrer Praxis aus räumlichen Gründen nicht möglich ist, empfiehlt es sich, der Telefonkraft ein kabelloses Headset zur Verfügung zu stellen, damit sie sich auf die Telefonate leichter konzentrieren und sich gleichzeitig frei bewegen kann. Meine Empfehlung ist: Telefone sollte man aus dem Anmeldebereich entfernen, damit dieser entlastet wird und die MFA an der Anmeldung ebenfalls in Ruhe und fokussiert mit den Patienten sprechen kann.
Die telefonische Erreichbarkeit können Sie auch verbessern, indem Sie die Anforderungen der anrufenden Patienten gezielt steuern. In vielen Fachrichtungen macht es Sinn, ein Rezepttelefon mit einem Anrufbeantworter einzurichten, der Rezeptwünsche aufnimmt und automatisiert mitteilt, wann Rezepte abgeholt werden können. So können die Rezeptwünsche von den MFA dann bearbeitet werden, wenn sie zwischendurch Luft haben.
Grundsätzlich ist jede persönliche Terminvereinbarung ein Zeitfresser und belastet die telefonische Erreichbarkeit. Deshalb ist es für das Praxisteam entlastend, wenn Patienten ihre Termine selbst buchen. Dafür benötigen Sie ein funktionierendes Online-Terminmanagement. Patienten können so rund um die Uhr und sieben Tage die Woche Termine selbst buchen. Wenn das gut aufgestellt ist, er reichen Sie, dass Ihre Praxis erfahrungsgemäß nach einem Jahr 50 Prozent weniger telefonische Terminanfragen bewältigen muss. Das ist eine signifikante Zeitersparnis und optimiert die telefonische Erreichbarkeit für andere Anfragen.
Hier ein paar wichtige Anforderungen, die ein Online-Terminsystem erfüllen muss:
Es ist eine Schnittstellenanbindung mit dem Praxisverwaltungssystem möglich.
Der Kalender aktualisiert in Echtzeit wieder frei gewordene Termine.
Die höchste Datensicherheit mit einer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung sowie die DSGVO-Konformität sind garantiert.
Eine weitere moderne Option, die telefonische Erreichbarkeit zu maximieren, sind digitale Telefonassistenten für Praxen. Diese nehmen alle telefonischen Anfragen automatisiert an und stellen die für die Bearbeitung wichtigen Informationen in Textform auf einer Online-Plattform zur Verfügung. Diese können MFA dann am Stück zügig abarbeiten.
Stellschraube 4: Terminkategorien einführen
Eine weitere Stellschraube sind die Terminkategorien, die nach medizinischer Notwendigkeit definiert werden. Der Fall mit der höchsten Priorität ist der medizinische Notfall, der sofort behandelt werden muss. Da er unvorhergesehen eintritt, kann er nicht geplant werden. Alle anderen Gründe, warum Patienten Ihre Praxis aufsuchen wollen, kommen regelmäßig vor und können strukturiert werden.
Der Fall mit der nächsthöheren Priorität ist der Akutfall, der am gleichen Tag behandelt werden muss. Dem können Sie zum Beispiel die Bezeichnung A1 geben. Hier geht es um eine Versorgung des akuten Problems, das in den letzten 24 bis 48 Stunden aufgetreten ist. Was in Ihrer Praxis unter diese Kategorie fällt und wie viel Behandlungszeit dafür aufgewendet wird, entscheiden Sie als Arzt. Als grobe Richtschnur kann für die Kategorie A1 ein Zeitfenster von fünf bis zehn Minuten einkalkuliert werden.
Jetzt kommt A5. Das ist der Fall, der auch akut ist, jedoch nicht so dringend. Diese Fälle benötigen eine Behandlung in den nächsten fünf Tagen. Auch hier reicht meist ein Zeitfenster von fünf bis zehn Minuten pro Termin.
Dann gilt es T zu definieren, die Fälle für einen normalen Termin. Diese Fälle werden in Beschwerdebilder differenziert, die weder heute noch in den nächsten fünf Tagen behandelt werden müssen. Nehmen Sie sich einmal Zeit und halten diese Fälle schriftlich als Orientierung für Ihre MFA fest. Hier können es Zeitfenster von fünf Minuten sein – beispielsweise für eine Impfung oder bis zu 45 Minuten für einen ausführlichen Check.Mithilfe dieser unterschiedlichen Stellschrauben können Sie das Zeit- und Terminmanagement in Ihrer Praxis optimieren. Ein bisschen Geduld ist dabei vonnöten. Denn die Veränderung tritt nicht von heute auf morgen ein. Aber langfristig wird sie bemerkbar und wirkt sich positiv auf das Arbeitsklima aus.
Zeitfresser und ihre finanziellen folgen
Wirtschaftlich betrachtet können Zeitfresser einer Arztpraxis nachhaltig schaden. Geht man von 60 Minuten Zeitfresser pro Tag für Entschuldigungen und Rechtfertigungen aus, kostet das bei einem Stundensatz von 15 Euro und 20 Arbeitstagen 300 Euro im Monat! Und wenn Ärztinnen und Ärzte noch Privatpatienten einbeziehen, die eine andere Praxis wählen, die sie besser telefonisch erreichen, geht noch weiterer attraktiver Umsatz verloren. Immer mehr Arztpraxen lösen deshalb das Problem, indem sie in moderne Technik investieren. Für diese Arztpraxen entscheiden sich dann auch Privatpatienten gerne, weil die Erreichbarkeit top ist und die moderne Technik einen positiven Einfluss auf die Einschätzung der medizinischen Qualität hat.