Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Praxisführung

Das Behandlungszimmer ist nicht richtig vorbereitet und nun schlägt die Medizinische Fachangestellte (MFA) dem Patienten gegenüber auch noch einen unprofessionellen Ton an. Später darauf angesprochen, geht sie sofort in die Verteidigung: „Das habe ich nicht getan“ oder „Ich hatte keine Zeit“ oder „Das war doch nicht meine Aufgabe“. Sie verweist auf die Kollegin und versucht schließlich, mit einer Geschichte über ein Telefonat mit einem schwierigen Patienten abzulenken. Aus ihrer Perspektive sind es die anderen, die Ursache des Chaos sind, das sie umgibt. Feinfühliges Feedback scheint hier  ins Leere zu laufen. Aber was hilft dann?

Wenn Kritik nicht ankommt: Psychologische Hürden

Es gibt Menschen, die so tun, als wäre nichts gewesen – auch wenn sie genau wissen, dass etwas vorgefallen ist. Oft ist es ein Versuch, unangenehme Gefühle wie Scham, Unsicherheit oder Überforderung zu vermeiden. Insbesondere Menschen mit einem geringen Selbstwertgefühl erleben selbst sachliche Anmerkungen sofort als Bedrohung und versuchen gerne, sich durch Leugnen, Verharmlosen oder Ablenken zu schützen. Auch Stress, Erschöpfung oder mentale Belastungen können dazu führen, dass Feedback geradezu reflexhaft abgeblockt wird. Und manche Menschen haben schlicht nie gelernt, konstruktiv mit Rückmeldungen umzugehen. 

Widerstand gegen Kritik überwinden mit Geduld und Struktur 

Wird konstruktive Kritik abgeblockt, ist es wichtig, nicht in die Rechtfertigungsdiskussion einzusteigen. Fehlt etwa wiederholt der Anamnesebogen, heißt es: „Die Patientin ist einfach schon ins Wartezimmer gegangen und dann klingelte auch noch das Telefon – da konnte ich ihr nicht auch noch das Formular reichen.“ Laut dieser MFA sind alle anderen schuld: die Patientin, die Kollegin, die einfach woanders war ... Bleiben Sie bei der Sache und formulieren Sie Ihre Erwartung klar und knapp: „Ich möchte, dass das künftig zuverlässig erledigt wird – sonst könnten wir wichtige Informationen über Vorerkrankungen oder Allergien übersehen.“  Manche Menschen brauchen länger, bis sie Feedback annehmen und adäquat darauf reagieren können. Wiederholte Gespräche in ruhiger Atmosphäre bieten Gelegenheit zur Reflexion. Eigene Erwartungen sollten dabei klar benannt und realistische Veränderungsschritte gemeinsam besprochen werden. Bleibt auch das ohne Wirkung, ist ein offizielles Mitarbeitergespräch mit Dokumentation der nächste Schritt.

Souverän reagieren als Feedback-Empfänger

Wer kritisiert wird, sollte möglichst nicht impulsiv reagieren. Bei einem überraschenden Kommentar kann es helfen, das Gespräch zu vertagen: „Danke, dass Sie damit zu mir kommen. Ich möchte da­rüber nachdenken – können wir morgen weitersprechen?“ Bei Unklarheit kann nachgefragt werden: „Was konkret wünschen Sie sich von mir?“ Doch nicht jede Kritik ist gerechtfertigt. Die Rückmeldung sollte geprüft werden: Ist sie sachlich formuliert? Lässt sie sich nachvollziehen? Wenn nicht, darf ruhig und höflich widersprochen werden: „Ich sehe das anders – ich möchte kurz schildern, wie ich die Situation erlebt habe.“ Selbstreflexion bedeutet nicht, alles ungefiltert anzunehmen.

Konstruktive Kritik

Ziel ist es, ein bestimmtes Verhalten zu reflektieren und Entwicklung zu ermöglichen. Das gelingt durch klare, sachliche Rückmeldungen mit Ich-Botschaften, konkretem, zeitnahem Bezug zur Situation und Wertschätzung. Konstruktive Kritik richtet sich nicht gegen die Person. Wer Kritik gibt, sollte bereit sein, auf das Gegenüber einzugehen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen.

Stichwörter