Medizinal-Cannabis: Bundesregierung plant strengere Regeln
Ina ReinschCannabis zu medizinischen Zwecken soll laut einem Referentenentwurf aus dem Bundesministerium für Gesundheit künftig nicht mehr per Onlinerezept verordnet werden können. Der persönliche Kontakt mit einem Arzt könnte wieder Pflicht werden. Was Ärztinnen und Ärzte dazu wissen sollten.
Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Verordnungspraxis von Medizinal-Cannabis wieder einschränken soll. Geplant ist eine Erstverordnung nur noch über einen persönlichen ärztlichen Kontakt sowie ein Verbot des Versands der Cannabisblüten. Konkret geht es um das Medizinal-Cannabisgesetz. Dieses sieht vor, dass Cannabis für Kranke nach den geltenden sozialrechtlichen Voraussetzungen als Arzneimittel verschrieben werden muss. Nach der Teillegalisierung durch den ehemaligen Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wird Cannabis nicht mehr als Betäubungsmittel eingestuft. Daher ist gegenwärtig für die Verordnung kein besonderes Betäubungsmittelrezept mehr notwendig. Zudem ist der Versand von Cannabis-Blüten durch Apotheken zulässig.
Wie die Verschreibung von Cannabis derzeit funktioniert
Im nun vorgelegten Gesetzentwurf (Bearbeitungsstand 18.06.2025) heißt es, der Import von Cannabisblüten zu medizinischen Zwecken vom ersten Halbjahr 2024 zum zweiten Halbjahr 2024 habe sich um 170 Prozent gesteigert. Dies sei nach Einschätzung Warkens auch dem Umstand geschuldet, dass es für Patienten sehr einfach sei, online an eine Verschreibung zu kommen, da einige Anbieter von Telemedizin nach dem Ankreuzen von Beschwerden in einer Checkliste ein Onlinerezept ausstellen.
Dieser Entwicklung will die Ministerin einen Riegel vorschieben. Konkret heißt es in dem Referentenentwurf, der ARZT & WIRTSCHAFT vorliegt: „Es wird geregelt, dass die Verschreibung von Cannabisblüten zu medizinischen Zwecken nur nach einem persönlichen Kontakt zwischen einer Ärztin oder einem Arzt und der Patientin oder dem Patienten in der Arztpraxis oder im Rahmen eines ärztlichen Hausbesuches erfolgen darf. Damit wird eine ausschließliche Behandlung im Rahmen der Videosprechstunde ausgeschlossen.“ Bei Folgeverschreibung soll eine Konsultation einmal alle vier Quartale vorgeschrieben sein. In Gemeinschaftspraxen müssten die Folgerezepte nicht zwangsläufig von derselben Ärztin oder demselben Arzt, aber in derselben Arztpraxis ausgestellt werden.
Warken will das Ganze mit einer zweiten Maßnahme flankieren: Cannabisblüten zu medizinischen Zwecken sollen künftig nicht mehr auf dem Weg des Versandes an Endverbraucher abgegeben werden dürfen. Es müsse eine umfassende Aufklärung und Beratung persönlich in der Apotheke erfolgen. Warkens Gesetzentwurf begründet die geplante Verschärfung der Verordnungs- und Abgabepraxis mit dem Gesundheitsschutz der Patientinnen und Patienten. Bei der Behandlung mit Cannabisblüten zu medizinischen Zwecken sei unter anderem wegen der Suchtgefahr sowie weiterer Gesundheitsrisiken, Nebenwirkungen und unerwünschter Arzneimittelwirkungen ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit der zu behandelnden Person sinnvoll und geboten. Zudem müsse die Patientin oder der Patient im Lichte der bestehenden Chancen und Risiken ausdrücklich in die Behandlung mit Cannabisblüten zu medizinischen Zwecken einwilligen.
Patientenschutz bei Verschreibung von Cannabis im Fokus
Aus ärztlicher Sicht erscheint das nachvollziehbar. Immer wieder wird der Verdacht geäußert, dass viele der Medizinal-Cannabis-Konsumenten, die ihre Rezepte über einen Telemedizin-Anbieter beziehen, letztlich Genuss-Konsumenten seien. Cannabis als Medikament bedarf einer sorgfältigen Anamnese und Verordnungspraxis. Umgekehrt müsste man dann aber auch über die Verordnung anderer Medikamente über Telemedizin-Anbieter kritisch nachdenken.
Sollte das Gesetz kommen, könnte das Hausarztpraxen einen Zulauf an Patientinnen und Patienten bescheren, die Medizinal-Cannabis bislang über Telemedizin-Anbieter bezogen haben. Doch auch ein anderes Szenario ist denkbar: eine Verschiebung auf den Schwarzmarkt. Abzuwarten bleibt, ob der Gesetzentwurf beim Koalitionspartner SPD auf Zustimmung stößt.