Reinerlös ist nicht gleich Gewinn: Soviel bleibt Ärzten netto

Mediziner, vorrangig Ärzte mit eigener Praxis, werden häufig als Großverdiener dargestellt. Darüber ärgern sich viele Niedergelassene – zu Recht! Denn in den Rankings werden durchschnittliche Reinerträge einer Arztpraxis mit Gewinn gleichgesetzt. Doch der Reinerlös ist eben nicht das Netto-Einkommen des Arztes.
Ärzte gelten als Deutschlands Top-Verdiener, das bestätigen diverse Gehaltsreports jedes Jahr aufs Neue. Tatsächlich ist das Gehalt angestellter Ärzte im Vergleich zu anderen Berufszweigen überdurchschnittlich hoch. Der persönliche Einsatz der Ärzte und die Zahl ihrer Überstunden allerdings auch: Ärzte und Ärztinnen müssen im Krankenhaus auch Nachtdienste und Wochenenddienste schieben und kommen auch in ruhigen Zeiten im Durchschnitt auf mehr als 50 Wochenarbeitsstunden. Runtergebrochen sieht der durchschnittliche Stundenlohn dann also gar nicht mehr so rosig aus. Die Gehaltsstatistiken geben jedoch nur das Brutto-Einkommen an.
Viele Menschen gehen davon aus, dass es Ärztinnen und Ärzten mit eigener Praxis finanziell noch deutlich besser gehen muss. Schließlich genießen sie als selbstständige Unternehmer noch weitere Vorteile. Aber haben Ärzte und Ärztinnen mit eigener Praxis tatsächlich eine Spitzenposition beim Einkommen?
Was Reinertrag beim Arzteinkommen tatsächlich bedeutet
Den Eindruck kann man durchaus bekommen, wenn man sich die Einkommensstatistiken anschaut – oder die Interessenvertreter der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen hört. Da werden niedergelassene Ärzte*innen regelmäßig pauschal als Großverdiener
Geht es um niedergelassene Ärzte, werden in der Regel die durchschnittlichen Reinerlöse der Praxen aufgezeigt (mehr zum Einkommen niedergelassener Ärzte lesen Sie hier). Der Reinertrag der Arztpraxis beziffert nur die Differenz zwischen ihren Einnahmen und Ausgaben. Es handelt sich also quasi um das Brutto-Einkommen des Praxisinhabers. Weitere Aufwendungen der Niedergelassenen werden in der Berichterstattung aber oft nicht berücksichtigt. Manchmal wird noch darauf hingewiesen, welche Ausgaben hier bereits abgezogen wurden. Welche Kosten der Arzt vom Reinerlös aber noch bezahlen muss, diese Information fehlt in der Regel. Damit wird immer wieder der Eindruck erweckt, dass der Reinerlös tatsächlich der Nettoverdienst des Arztes ist. Dem ist aber nicht so.
Die Honorar-Entwicklung der niedergelassenen Ärzte
Bei der Darstellung der niedergelassenen Ärzte als Großverdiener lässt man also mal wieder unter den Tisch fallen, dass brutto auch bei Ärzten mit eigener Praxis nicht gleich Netto ist. „Reinertrag“ klingt für Laien aber so ähnlich wie „Gewinn“ und wird in der Medienberichterstattung auch häufig so interpretiert. Konkret bedeutet Reinertrag oder auch Reinerlös lediglich, dass die Summe der Aufwendungen (z.B. für Sach- und Personalkosten) von der Summe der Einnahmen abgezogen wurde. Das ist natürlich nur ein Bruchteil der tatsächlichen Kosten, die ein Praxisinhaber zu tragen hat.
Ein niedergelassener Arzt mit eigener Praxis muss vom Reinertrag beispielsweise auch noch die Einkommenssteuer, alle Versicherungen für sich und seine Angehörigen zu 100 Prozent bezahlen (Renten-, Kranken – und Pflegeversicherung) sowie die Beiträge zu Versorgungseinrichtungen. Werden auf der Ausgabenseite sämtliche steuerlich relevanten Kosten in der Praxis und Ausgaben des Arztes für Altersvorsorge, Kranken- und Pflegeversicherung berücksichtigt, bleiben dem Arzt mit eigener Praxis netto im Durchschnitt gerade mal 23,5 bis 24,5 Prozent des Gesamthonorarumsatzes übrig.
So viel Gewinn machen niedergelassene Ärzte tatsächlich
Das sind oft nur etwa 5.000 € netto pro Monat (inklusive privatärztliche Einkünfte 5.442 € im Monat). Der Betrag liegt zwar deutlich über dem durchschnittlichen Haushaltseinkommen, dafür arbeitet ein niedergelassener Arzt allerdings auch etwa 60 Stunden pro Woche und hat normalerweise deutlich weniger Urlaub als ein Arbeitnehmer. Zudem müssen selbstständige Ärzte von ihren Nettoeinnahmen in der Regel auch noch den Kredit bedienen, den sie für ihre Praxis aufgenommen haben. Und selbstständige Ärzte tragen das volle wirtschaftliche und haftungsrechtliche Risiko für ihre Tätigkeit.
Reinertrag und Gewinn: Was wirklich in die eigene Tasche geht
Schade, dass diese Fakten vielen Medien keine Erwähnung wert sind. Fairerweise weist zumindest das Statistische Bundesamt in seinen Veröffentlichungen darauf hin. Zu den Ergebnissen der Kostenstrukturerhebung von Arzt- und Zahnarztpraxen sowie Praxen von psychologischen Psychotherapeuten findet sich der Hinweis: „Dieser Ertrag ist nicht identisch mit dem Einkommen der Ärzte. Er stellt zwar das Ergebnis des Geschäftsjahres der Praxis dar, berücksichtigt aber unter anderem nicht die Aufwendungen für die Praxisübernahme und die Aufwendungen privater Natur für die Alters-, Invaliditäts-, Hinterbliebenen- und Krankenversicherung der Praxisinhaber und deren Familienangehörigen sowie die Beiträge zu Versorgungseinrichtungen der Praxisinhaber. Dieser im Rahmen der Kostenstrukturerhebung bei Arztpraxen errechnete Reinertrag ist somit nicht mit einem Gehalt bzw. Bruttojahreseinkommen eines niedergelassenen Facharztes gleichzusetzen.“
Anzeige
Umsatzrechner für die Arztpraxis – objektiv, transparent und individuell
Terminausfälle, kurzfristige Absagen oder Verschiebungen und die Bindung von Ressourcen am Telefon sind die häufigsten Ärgernisse und Kostenpunkte für Arztpraxen und Gesundheitseinrichtungen. Digi... Mehr
Weitere Artikel zum Thema:
- Umfrage Umfrage: Mehrheit der Praxisärzte für berufsbezogene Impfpflicht
- Finanzamt Unwetterschäden sind steuerlich absetzbar
- V-Bank Interview: Von Gewerbeimmobilien rate ich derzeit ab
- Vorausschauender Einkauf Weltweite Chipkrise trifft die Medizin
- Abrechnung Palliativmedizin GOÄ: Positionen für die Privatabrechnung