Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Versicherungen

Versicherungen leben von der Risikobewertung eines bestimmten Ereignisses und nicht selten auch von der Angst der Menschen davor, dass dieses Ereignis eintritt. Braucht man zum Beispiel wirklich eine Fahrrad-Versicherung? Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass es gestohlen wird? Ist der Schaden hoch genug, um die Versicherungsbeiträge zu rechtfertigen? Und wie groß ist die persönliche Angst?

Es gibt vermutlich kaum einen Bereich, in dem die Sorgen niedergelassener Ärztinnen und Ärzte größer sind als vor einem Regress, zum Beispiel wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise. Denn ein Regress ist nicht nur belastend und erfordert meist die Beauftragung eines erfahrenen Rechtsanwalts – was wiederum Geld kostet. Der Zeitraum, bis ein Vorwurf geklärt ist, kann sich oft über Jahre erstrecken und bei einer Bestätigung der Regresssumme die eigene Existenz gefährden. Versicherer haben das erkannt und bieten Regressversicherungen für Ärztinnen und Ärzte an. Doch lohnt sich das?

Oft führt unwirtschaftliches Verordnungsverhalten zum Regress

Die Hauptursache für Regresse in Arztpraxen ist eine unwirtschaftliche Verordnungsweise, insbesondere von Arzneimitteln. Auch eine unwirtschaftliche Veranlassung von Sach- oder Laborleistungen sowie unwirtschaftliche Auftragsüberweisungen zur Diagnostik und Therapie können eine Rolle spielen. Besonders Arzneimittelregresse sind gefürchtet. Doch oftmals ist die gefühlte Bedrohung größer als die reale Gefahr. Eine zentrale Erfassung von Regressen in Deutschland gibt es nicht. Die Zahlen scheinen insgesamt in den vergangenen Jahren aber rückläufig zu sein. So gab es beispielsweise bei der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg in der Richtgrößen- und Richtwertprüfung bei Arzneimitteln 2022 lediglich 21 Regresse, 2021 waren es 28, im Jahr zuvor 33 – bei rund 21.500 Ärztinnen und Ärzten in der ambulanten Versorgung. Begünstigt wird die gefühlte Bedrohung durch die Berichterstattung über gravierende Fälle. So hat etwa 2018 das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen einen Regress gegen einen Hausarzt in Höhe von 250.000 Euro bestätigt (02.01.2018, Az. L 11 KA 39/17 B ER). Das brennt sich ein, verkennt aber, dass es sich hierbei um Einzelfälle handelt.

Eine Regressversicherung soll Ärztinnen und Ärzte vor Regressforderungen schützen. Sie übernimmt unter bestimmten Voraussetzungen nicht nur die Regresssumme, sondern auch die Kosten des Rechtsstreits. Dazu zählen auch:

  • Anwaltskosten

  • Gerichtskosten

  • Gutachterkosten

Eine Regressversicherung zahlt aber nicht in jedem Fall. Klar – wer wissentlich ein Arzneimittel verordnet, das in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht verordnungsfähig ist, kann nicht auf die Regressversicherung zurückgreifen. Es besteht daher ein Ausschluss für vorsätzliche Verstöße. Außerdem erstrecken sich solche Versicherungen oftmals nur auf Regresse im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung, nicht aber im Rahmen der sachlich-rechnerischen Richtigstellung (Abrechnungsprüfung). Auch fachliche Behandlungsfehler werden nicht erfasst, sie werden durch die Berufshaftpflichtversicherung abgedeckt.

Ärzte unterliegen dem Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 SGB V (Fünftes Sozialgesetzbuch). Danach müssen in der gesetzlichen Krankenversicherung Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein, sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Wer sich nicht daran hält, muss mit Regressforderungen rechnen. Näheres regeln die Prüfungsvereinbarungen der Bundesländer. Die Wirtschaftlichkeitsprüfung ist Aufgabe der Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen. Die Prüfungsstelle kontrolliert mit stichprobenartigen Prüfungen oder gezielt bei Überschreitung gewisser Richtgrößen. Die Wirtschaftlichkeitsprüfung ist eine Prüfung von Amts wegen. Die Prüfungsstelle ermittelt etwa in Bezug auf die Verordnungsweise die Durchschnittswerte der Arztgruppe und stellt dieser die Verordnungskosten des jeweiligen Arztes abzüglich anerkannter Praxisbesonderheiten gegenüber. Bei einer Überschreitung von mehr als 40 Prozent gilt der Arzt als auffällig.

Widerspruch kann sich auch bei Beratung vor Regress lohnen

Für junge Ärzte gibt es ein Privileg: Eine Prüfung erfolgt bei ihnen erstmalig im dritten Kalenderjahr nach der Zulassung. Ärztinnen und Ärzte, die das erste Mal auffällig werden, erhalten zunächst eine Beratung, erst bei erneuter Auffälligkeit darf ein Regress angesetzt werden. Tipp: Auch bei einer erstmaligen Überschreitung, bei der zunächst eine Beratung erfolgt und noch kein Regress festgesetzt wird, kann es sich lohnen, Widerspruch einzulegen. Denn ist diese Maßnahme zu Unrecht ergangen und wird aufgehoben, hat der Arzt den Beratungs-Jocker noch frei.

Es gibt allerdings nur wenige Versicherer, die diese Versicherung anbieten, so beispielsweise die R&V mit ihrer Ärzteregress-Versicherung. Zielgruppe sind Einzelpraxen, Berufsausübungsgemeinschaften, Praxisgemeinschaften und Medizinische Versorgungszentren (MVZ). Die Versicherung unterstützt ihre Versicherungsnehmer auch mit spezialisierten Anwälten, nicht nur im gerichtlichen Verfahren, sondern im Einzelfall auch bei Stellungnahmen und Widersprüchen. Sie kostet bei einem Direktabschluss und einer Versicherungssumme von 100.000 Euro pro Jahr 600 Euro im Jahr (Tarif 03/2022). Wer lieber 150.000 Euro versichert wissen möchte, zahlt 800 Euro. Einige Berufsverbände bieten Gruppenverträge an, deren Konditionen günstiger sind.

So läuft ein Regressverfahren ab

  1. Wenn die Prüfungsstelle abgerechnete Leistungen und Verordnungen als „unwirtschaftlich“ ansieht, leitet sie ein Regressverfahren ein.

  2. Der Arzt hat die Möglichkeit, innerhalb einer gesetzten Frist eine Stellungnahme abzugeben. Er kann dabei unter anderem Praxisbesonderheiten geltend machen. Dazu zählt beispielsweise die Betreuung einer überdurchschnittlich hohen Anzahl älterer Patienten oder überdurchschnittlich komplexe Fälle.

  3. Wenn der Prüfungsausschuss dennoch einen Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot feststellt, setzt er einen Regress fest.

  4. Der Arzt kann dagegen schriftlich Widerspruch einlegen. Der Fall geht dann an den Beschwerdeausschuss. Hier kann der Arzt noch einmal alle Argumente und Belege vorbringen. Dies ist wichtig, da später im Verfahren vorgebrachte Tatsachen nicht mehr berücksichtigt werden.

  5. Der Beschwerdeausschuss entscheidet nach mündlicher Verhandlung über den Regress. Er nimmt ihn zurück oder erhält ihn aufrecht.

  6. Wenn der Beschwerdeausschuss den Regress aufrechterhält, kann der Arzt Klage vor dem Sozialgericht einreichen.

  7. Das Gericht prüft allerdings weniger inhaltlich, sondern nur, ob das Verfahren korrekt und rechtmäßig durchgeführt wurde. Wird der Regress bestätigt, muss der Arzt die geforderte Summe an die Kassenärztliche Vereinigung oder Krankenkasse zahlen.

Stichwörter