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Medizin trifft Zahnmedizin: Der interdisziplinäre Podcast

Etwa 61 Tage im Jahr sind Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten laut der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) mit Bürokratie beschäftigt. In einem Bericht rechnet das Statistische Bundesamt sogar mit durchschnittlich 96 Tagen im Jahr, die Arzt-, Psychotherapeuten- und Zahnarztpraxen für die Erfüllung von Informationspflichten aufwenden. Laut einer aktuellen Bertelsmann-Umfrage plant jeder vierte Hausarzt, innerhalb von fünf Jahren aufzuhören. Viele können sich vorstellen, doch länger im Beruf zu bleiben, so die Umfrage – die Voraussetzung: weniger Bürokratie und deutliche Reduktion administrativer Aufgaben.

Neben Bürokratie geht es in dieser Folge auch etwa darum, was unsere Experten von der neuen Bundesregierung erwarten, um unzeitgemäße Gebührenordnungen und darum, was Mediziner von Zahnmedizinern in Hinsicht auf Prävention lernen können. Günter Nuber, Gesamtredaktionsleiter Deutschland MedTriX Group, spricht mit Allgemeinmediziner Prof. Dr. Markus Bleckwenn und Zahnarzt Prof. Dr. Dirk Ziebolz.

Was erwarten die Experten aus Medizin und Zahnmedizin von der neuen Bundesregierung?

Der Koalitionsvertrag von Union und SPD thematisiert einige Aspekte, die Ärztinnen und Ärzte in ihrer Arbeit zukünftig betreffen. Im Wahlkampf dagegen spielte Medizin keine große Rolle, so Moderator Günter Nuber. “Wird das denn jetzt anders?” fragt er die Experten im Podcast, “Was erwartet ihr von der noch recht frischen Regierung?”

Er erwarte nicht viel, sagt Allgemeinmediziner Bleckwenn: “Im Grunde genommen ist es für mich überall das gleiche Vorgehen. Rente, Gesundheit, Klima. (...) Wir wissen, dass wir eigentlich tief schneidende Einschnitte machen müssen. Aber es wird verschoben. (...) Mit ganz großen Sprüngen rechne ich nicht. Aber ich hoffe zumindest mal, (...) dass man sich zusammensetzt und mal so die ersten Schritte geht.”

Zahnmediziner Ziebolz schließt sich dem an: “Ich glaube auch, dass wir insgesamt eher mit ernüchternden Erwartungen in diese Regierungszeit gehen sollten aus zahnärztlicher Sicht. Mundgesundheit spielt, glaube ich, noch eine kleinere Rolle als gesamtheitlich anzupackende Veränderungen im Gesundheitswesen. Und ich würde mir sicherlich wünschen, (...) dass insbesondere der Präventionsansatz, die frühe Gesundheitsförderung von chronischen Erkrankungen in den Mittelpunkt rücken würde. Aber ich glaube, dass wir damit leben müssen, dass wir als Zahnmediziner wenig politische Unterstützung bekommen, trotz der vielen Veränderungen, die notwendig sind, um zeitgemäße und moderne Zahnmedizin zu machen, auch in Interaktion natürlich mit der Medizin gemeinsam.”

Warum Allgemeinmediziner Bleckwenn die neue Gebührenordnung für Ärztinnen und Ärzte nicht für einen Meilenstein hält und warum Zahnmediziner Ziebolz die Gebührenordnung für Zahnärzte für nicht mehr zeitgemäß hält, hören Sie im Podcast.

Bürokratie in Arztpraxis und Zahnarztpraxis

Versprochen wird im Koalitionsvertrag auch ein Abbau von Bürokratie im Gesundheitswesen. Beide Experten hoffen auf einen Bürokratieabbau in den Praxen. “Bürokratie (...) ist das, was mich momentan an die zeitlichen Grenzen bringt”, sagt Allgemeinmediziner Bleckwenn, der gemeinsam mit einem Kollegen eine Hausarztpraxis leitet, “Es ist nicht die Anamnese, nicht die körperliche Untersuchung, nicht die Therapieaufklärung und Therapiedurchführung. Es ist die Bürokratie.”

Diese hole er abends und am Wochenende nach. Wenn er die 30-40 Prozent Arbeitszeit, die er für Bürokratie aufbringen müsse, in der regulären Arbeitszeit unterbringe, dann habe er weniger Zeit für die Patientinnen und Patienten. “Das heißt, dass ich dann sage: Okay, um 16 Uhr ist Schluss, danach müssen Sie dann ins Krankenhaus, weil ich hier Papiere ausfüllen muss”, sagt er im Podcast, “Eigentlich müsste man das sogar machen, weil, ich glaube, anders wird es nicht begriffen von allen Seiten, was das eigentlich bedeutet.”

Zahnmediziner Ziebolz stimmt dem zu: “Was ganz entscheidend ist, ist, dass unbedingt der Bürokratieabbau passieren muss.” Dabei könnten zum einen die Zahnärzte selbst etwas tun, sagt Ziebolz, indem sie etwa KI-basierte oder andere unterstützende Instrumente in der Praxis nutzen. Auch Allgemeinmediziner Bleckwenn sagt im Podcast, er versuche alle technischen Möglichkeiten auszunutzen. “Mittelfristig bin ich da sehr, sehr optimistisch, dass wird dank KI da einige schaffen”, sagt er. Er rechnet damit, dass sich Praxen in den nächsten fünf bis zehn Jahren mehr auf die Patientenbehandlung konzentrieren können.

Wichtig seien daneben die politischen und gesetzlichen Rahmenbedingungen, so Ziebolz. “Wir sind überreglementiert”, sagt er im Podcast. Es koste viel Zeit, die Praxis zu führen, zu strukturieren und die Patientenverwaltung zu organisieren. Es müsse eine Verhältnismäßigkeit wieder hergestellt werden.    

Wie würden Arzt- und Zahnarztpraxis mit weniger Bürokratie aussehen?

Sollte weniger Bürokratie in den Praxen notwendig sein, rechnet Zahnmediziner Ziebolz damit, dass Patientinnen und Patienten kürzer warten müssten. Außerdem sagt er: “Wir können mehr Patienten versorgen. Wir können vielleicht auch zielgerichteter wieder mehr Zeit für den Patienten aufbringen, für den einzelnen Patienten. Das ist schon ein absoluter Mehrgewinn für die Gesundheits- oder Zahngesundheitsversorgung der Patienten. Und ich kann mir vorstellen, dass das in beiden Bereichen gleichermaßen ist.”

“Das sehe ich nicht so”, widerspricht Bleckwenn, “Das ist die klassische Antwort, Dirk. Wenn ich effizienter bin, dann kann ich ja mehr Arbeit machen und dann bist du am Ende wieder genau da, wo du vorher warst.” Stattdessen sei es wichtig, sich bewusst zu machen, dass die Effizienz laut Studien nach acht Stunden deutlich zurückgehe. “Also diese alte Taktik, die ich auch noch gelernt habe, 60 Stunden Woche, das ist ineffizient”, sagt der Allgemeinmediziner.

Es gehe zum einen darum, dass der Beruf für den Nachwuchs attraktiv bleibe. Zum anderen sei es auch wichtig, dass die bereits praktizierenden Ärztinnen und Ärzte noch länger auf einem hohen Niveau behandeln können. "Wir sollten auch an uns denken als Behandler, denn wir wollen auch gesund alt werden. Und ich finde, wir sollten auch Vorbilder sein. Ich finde, ein moderner Arzt hat auch eine super Tätigkeit nach acht Stunden und acht Stunden mit allem. Das heißt, der hat auch alle Zettel ausgefüllt. Der hat alles abgerechnet, alles behandelt und am nächsten Morgen geht es weiter. Das wäre für mich eine Idealvorstellung.”

Was können Mediziner beim Thema Prävention von Zahnmedizinern lernen? Und würden unsere Experten noch mal denselben Beruf wählen, wenn sie die Wahl hätten? Das und mehr hören Sie im Podcast.

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Disclaimer: Aus Gründen der besseren Verständlichkeit wird in diesem Podcast hin und wieder nur das generische Maskulinum verwendet. Die hier verwendeten Personenbezeichnungen beziehen sich jedoch – sofern nicht explizit kenntlich gemacht – auf alle Geschlechter.

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