Cannabis-Freigabe: Was die erste Zwischenbilanz offenbart
Judith MeisterFür die einen war es der Sündenfall der deutschen Drogenpolitik, für andere ein längst überfälliger Schritt: Nun liegen erste Daten zu den Effekten der Teillegalisierung des Cannabiskonsums in Deutschland vor.
Selten wurde über eine politische Entscheidung so erbittert diskutiert wie über die Teillegalisierung des Besitzes und Konsums von Cannabis durch das Konsumcannabisgesetz (KCanG).
Seit dem 1. April 2024 dürfen Volljährige in Deutschland bis zu 25 Gramm Cannabis bei sich tragen. In Privatwohnungen ist sogar die Lagerung von bis zu 50 Gramm erlaubt. Auch mit Blick auf den Anbau der Pflanzen gibt es Erleichterungen. Angesichts der heftigen Kritik an diesen Liberalisierungen sieht das Gesetz allerdings eine wissenschaftliche, „ergebnisoffene“ Evaluation (EKOCAN) vor. Sie läuft noch bis März 2028. Inzwischen gibt es jedoch erste Ergebnisse. Sie basieren auf den bis August 2025 verfügbaren Informationen.
Bedeutende Entkriminalisierung
Im Jahr 2024 haben in Deutschland demnach schätzungsweise 5,3 Millionen Erwachsene Cannabis konsumiert. Das verfügbare Medizinalcannabis deckte dabei etwa 12 bis 14 Prozent des Gesamtbedarfs ab. Die inzwischen legalisierten Anbauvereinigungen produzierten dagegen nicht einmal 0,1 Prozent der benötigten Menge. Die Marktanteile des legalen Eigenanbaus sowie des aus illegaler Produktion oder Weitergabe stammenden Cannabis können daher noch nicht ausreichend quantifiziert werden.
Die Teillegalisierung hat jedoch einen starken Rückgang der im Zusammenhang mit Cannabis registrierten Straftaten bewirkt. Jörg Kinzig, Direktor des Instituts für Kriminologie der Uni Tübingen, bewertet den Vorgang daher als die „quantitativ bedeutsamste Entkriminalisierung in der Geschichte der Bundesrepublik“. Im Jahr 2024 hat die Polizei im Bereich der Cannabisdelikte mehr als 100.000 Fälle weniger verzeichnet als im Vorjahr. Um zu beurteilen, wie sich das KCanG im Detail auf die (organisierte) Kriminalität auswirkt, seien aber noch weitere Daten und ein längerer Beobachtungszeitraum erforderlich.
Konsumentenzahl bleibt gleich
„Die Daten deuten zudem darauf hin, dass die Teillegalisierung weder die Zahl der Konsumenten noch den Umfang der Gesundheitsprobleme durch Cannabiskonsum verändert haben”, sagt Jakob Manthey, Koordinator von EKOCAN. Bestimmte Auswirkungen des KCanG würden aber erst mit größerem Abstand sichtbar. Einige Kritiker warnen zudem vor der Normalisierung des Konsums oder dem Missbrauch der medizinischen Verschreibungssysteme.
Während sich bislang zwar nur wenige Anhaltspunkte für Auswirkungen der Teillegalisierung auf den Gesundheitsschutz zeigen, sieht Manthey in der bisher geringen Anzahl der Anbauvereinigungen ein Problem: „Wenn der Gesetzgeber die Verdrängung des Schwarzmarktes priorisieren wollte, müssten die Rahmenbedingungen für die Genehmigung und den Betrieb von Anbauvereinigungen vereinfacht werden.“
„Die vorliegenden Daten belegen überdies, dass die Zahl der Jugendlichen, die Cannabis konsumieren, auch nach der Teillegalisierung weiter sinkt“, erläutert Daniel Kotz, Leiter des Schwerpunkts Suchtforschung an der Uniklinik Düsseldorf. Jedoch konsumiert weiterhin etwa ein Zehntel der jugendlichen Kiffer täglich oder fast täglich, was die Wahrscheinlichkeit für teilweise schwerwiegende Gesundheitsprobleme deutlich erhöht. Auch liegen Hinweise vor, dass weniger Jugendliche nach der Teillegalisierung Suchtberatungen in Anspruch genommen haben.
Gesetzesänderung
Das Bundesgesundheitsministerium legte im Juli einen Referentenentwurf zur Verschärfung des Medizinal-Cannabisgesetzes vor. Demnach dürfen Cannabisblüten nur nach persönlichem Arzt-Patienten-Kontakt verschrieben werden, der Versandhandel wird komplett verboten. Grund: 170 Prozent Importsteigerung bei nur 9 Prozent mehr GKV-Verordnungen deutet auf Missbrauch hin.