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Praxiswissen für MFA - MediTeam
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Der Praxisalltag ist getaktet. Patienten warten, das Telefon klingelt, Befunde müssen sortiert werden. In diesem Rhythmus erscheinen gemeinsame Kaffeepausen wie ein Luxus, den man sich eigentlich nicht leisten kann. Doch das Gegenteil ist der Fall: Teams, die sich Zeit für informellen Austausch nehmen, arbeiten besser zusammen.

Warum Kaffeepausen mehr sind als Zeitvertreib

Die Gründe sind wissenschaftlich belegt. Informelle Kommunikation schafft Vertrauen, baut Hierarchien ab und fördert den Informationsfluss. In entspannter Atmosphäre werden Dinge besprochen, die in offiziellen Meetings untergehen. Probleme werden angesprochen, bevor sie eskalieren. Missverständnisse klären sich nebenbei. Und ganz praktisch: Wer seine Kollegen als Menschen kennt und schätzt, arbeitet motivierter. Für Arztpraxen gilt das besonders. Die Arbeit ist körperlich und emotional fordernd. Ständiger Patientenkontakt, Zeitdruck, medizinische Verantwortung – das belastet. Ein funktionierendes Team ist der wichtigste Puffer gegen Stress. Und dieses Teamgefühl entsteht nicht in Leistungsbeurteilungen, sondern in den kleinen Momenten zwischendurch.

Die Balance zwischen Arbeit und Austausch

Natürlich darf der Kaffeeklatsch nicht ausarten. Stundenlange Privatgespräche während der Sprechstunde gehen nicht. Die Kunst besteht darin, den richtigen Rahmen zu finden. Feste Pausenzeiten helfen dabei. Wenn klar ist, dass von 9:30 bis 9:45 Uhr gemeinsam Kaffee getrunken wird, kann diese Zeit bewusst genutzt werden – und danach geht es konzentriert weiter. In manchen Praxen funktioniert der gemeinsame Start in den Tag. Fünfzehn Minuten vor Sprechstundenbeginn trifft sich das Team bei Kaffee oder Tee. Organisatorisches wird geklärt, jeder sagt kurz, wie es ihm geht, und dann startet der Tag gemeinsam. Dieser Einstieg schafft Orientierung und Zusammenhalt. Andere Praxen setzen auf die Mittagspause. Statt dass jeder allein sein Brot isst oder schnell zum Bäcker läuft, wird gemeinsam gegessen. Das muss nicht jeden Tag sein – aber regelmäßig. Auch hier gilt: Die Pause ist Pause. Arbeit darf Thema sein, muss aber nicht. Wichtig ist, dass niemand gezwungen wird. Wer lieber allein Pause macht, sollte das dürfen.

Was beim Kaffeeklatsch besprochen wird

Die Themen sind vielfältig – und genau das macht den Wert aus. Natürlich wird über die Arbeit gesprochen. Wie lief der gestrige Notfall? Hat jemand eine Idee, wie der neue Ablauf besser funktionieren könnte? Solche Gespräche außerhalb offizieller Meetings sind oft produktiver, weil der Druck fehlt. Aber es geht nicht nur um Arbeit. Wer hat am Wochenende was gemacht? Plant jemand Urlaub? Wie geht es den Kindern, dem kranken Elternteil, dem neuen Hobby? Diese persönlichen Informationen schaffen Verbindung. Sie machen aus Kollegen Menschen mit Geschichten und Sorgen. Das führt zu mehr Verständnis im Arbeitsalltag.

Wichtig ist die Grenze zwischen Interesse und Indiskretion. Niemand muss Privates erzählen. Und was erzählt wird, bleibt im Team. Der Kaffeeklatsch ist kein Tratsch über Patienten – das ist nicht nur unprofessionell, sondern verstößt gegen die Schweigepflicht. Auch Lästereien über Kollegen, die gerade nicht da sind, haben keinen Platz. Solche Dynamiken vergiften das Klima.

Regeln für konstruktiven Team-Austausch

Förderlich:

  • Regelmäßige, feste Zeiten für gemeinsame Pausen

  • Offenes Ohr für berufliche und private Themen

  • Humor und Leichtigkeit zulassen

  • Alle einbeziehen – auch Stille oder Neue

  • Positive Ereignisse teilen und feiern

Schädlich:

  • Lästern über abwesende Kollegen

  • Gespräche über Patienten (Schweigepflicht!)

  • Cliquenbildung und Ausgrenzung

  • Private Konflikte in der Gruppe austragen

  • Dauernde Arbeitsgespräche ohne persönlichen Austausch

Goldene Regel: Was im Team besprochen wird, bleibt im Team. Vertrauen ist die Basis.

Rituale, die verbinden: Ideen fürs Team

Kleine Rituale geben dem Kaffeeklatsch Struktur und Kontinuität. In manchen Praxen gibt es den „Kuchen-Freitag“ – reihum bringt jemand etwas mit. Das muss kein selbstgebackener Kuchen sein, auch Obst, Brötchen oder einfach guter Kaffee zählen. Der Aufwand ist gering, die Wirkung groß.

Andere Teams haben eine Kaffeekasse, aus der gemeinsam guter Kaffee, Tee oder Milchalternativen finanziert werden. Auch hier: minimaler organisatorischer Aufwand, aber es zeigt Wertschätzung. Niemand muss am abgestandenen Filterkaffee würgen, während woanders Cappuccino läuft.

Manche Praxen haben eine „Erfolge-der-Woche“-Runde. Jeder darf kurz erzählen, was gut lief – beruflich oder privat. Ein schwieriges Patientengespräch gemeistert, eine Weiterbildung abgeschlossen, ein persönliches Ziel erreicht. Diese Positivität färbt ab und stärkt das Selbstbewusstsein des Einzelnen wie des Teams.

Auch besondere Anlässe dürfen gefeiert werden. Geburtstage, Arbeitsjubiläen, bestandene Prüfungen – solche Momente verdienen Aufmerksamkeit. Das muss keine große Party sein, aber eine Karte, ein kleines Geschenk oder einfach ein gemeinsames Anstoßen zeigen: Du bist Teil des Teams und wirst wertgeschätzt.

Neue integrieren, Stille aktivieren

Aber Vorsicht: Der Kaffeeklatsch kann auch ausschließend wirken, beispielsweise wenn einige Mitarbeiter sehr dominant sind und andere nicht zu Wort kommen. Gerade neue Teammitglieder oder zurückhaltende Personen fühlen sich schnell außen vor. Hier ist Achtsamkeit gefragt. Denn gerade für neue MFAs ist der informelle Austausch besonders wichtig. Hier lernen sie die ungeschriebenen Regeln, die Hierarchien, die Dynamiken im Team. Wer sich hier willkommen fühlt, findet schneller Anschluss und ist produktiver. Umgekehrt: Wer beim Kaffeeklatsch ignoriert wird, fühlt sich auch im Arbeitsalltag isoliert. Auch unterschiedliche Generationen profitieren vom Austausch. Die erfahrene MFA kurz vor der Rente und die Azubine im ersten Lehrjahr – beide haben etwas beizutragen. Die eine kennt jeden Kniff im Praxisablauf, die andere bringt frische Perspektiven und digitale Kompetenz mit. Dieser Austausch findet am besten informell statt, nicht in Schulungen.

Wenn Konflikte schwelen

Die gemeinsame Pause ist allerdings auch nicht die Lösung für alles. Nicht jedes Team versteht sich prächtig. Antipathien, unterschiedliche Arbeitsstile oder alte Konflikte können die Atmosphäre im Team massiv belasten. Der Kaffeeklatsch kann hier Konflikte sogar verschärfen. Entscheidend ist, wie damit umgegangen wird. Grundsätzlich gilt: Persönliche Konflikte gehören nicht in die Gruppenrunde. Wer ein Problem mit jemandem hat, sollte das unter vier Augen oder mit der Praxisleitung klären. Die Kaffeepause ist nicht der Ort für Vorwürfe oder passive Aggressivität. Gleichzeitig bietet der informelle Rahmen die Chance, einander besser zu verstehen. Vielleicht ist die Kollegin, die immer so kurz angebunden wirkt, gerade in einer schwierigen privaten Situation. Vielleicht hat der neue Mitarbeiter, der so viele Fragen stellt, einfach noch Unsicherheiten. Diese Hintergründe werden oft erst sichtbar, wenn man miteinander spricht – nicht nur übereinander.

Wenn die Stimmung dauerhaft schlecht ist, braucht es mehr als Kaffee. Dann sind Teamgespräche, externe Moderation oder strukturierte Konfliktlösung gefragt. Der Kaffeeklatsch kann Prävention sein, aber er ersetzt keine Konfliktbearbeitung.

Die Rolle der Praxisleitung

Ob der Kaffeeklatsch funktioniert, hängt außerdem auch stark von der Praxisleitung ab. Wird Zeit für Pausen akzeptiert und gefördert? Oder gibt es unterschwelligen Druck, bloß nicht zu viel zu „tratschen“? Die Haltung von oben prägt die Kultur. Idealerweise nimmt die Praxisleitung – ob Arzt oder Praxismanagerin – selbst teil. Das baut Hierarchien ab und zeigt: Dieser Austausch ist wichtig. Gleichzeitig sollte die Leitung sensibel sein: Manchmal ist ihre Anwesenheit auch hemmend. Das Team braucht auch Räume ohne Vorgesetzte, um offen sprechen zu können.

Wichtig ist die klare Botschaft: Pausen sind erlaubt, gewollt und notwendig. Niemand muss sich schlecht fühlen, weil er zehn Minuten Kaffee trinkt. Im Gegenteil: Diese Investition zahlt sich in besserer Zusammenarbeit, weniger Krankenständen und höherer Motivation aus.

Mehr als Kaffee

Der Kaffeeklatsch ist also nicht nur ein Symbol. Es geht um die grundsätzliche Frage: Wird in dieser Praxis nur gearbeitet, oder wird auch gelebt? Sind Kollegen austauschbare Arbeitskräfte oder Menschen mit Geschichten? Teams, die diese Frage richtig beantworten, haben weniger Fluktuation, weniger Konflikte und mehr Freude bei der Arbeit. Die Investition ist minimal – etwas Zeit, ein bisschen Aufmerksamkeit, vielleicht guter Kaffee. Der Ertrag ist enorm.

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