Trauern im Kollegenkreis: Reden ist Silber, Zuhören ist Gold
Bianca NuberDer Verlust eines Menschen ist unumkehrbar. Die Tragweite des Todes zu verarbeiten, braucht deshalb viel Zeit und ein empathisches Umfeld. Doch oft ist die Unsicherheit groß: Wie geht man mit trauernden Kolleginnen und Kollegen richtig um? Und was, wenn sogar jemand aus dem Team stirbt?
Nach dem Verlust eines geliebten Menschen stehen die Uhren für die Hinterbliebenen erst mal still. Doch die Welt um sie herum dreht sich weiter. Und sie müssen in Familie und Arbeitsalltag irgendwie weitermachen, funktionieren. Da sind manche Reaktionen aus dem Umfeld hilfreich und andere weniger. Wenn die betroffene Person wieder in der Praxis erscheint, stellt sich deshalb für die anderen Team-Mitglieder immer die Frage: Wie verhalte ich mich in dieser Situation richtig, ohne die Trauernde oder den Trauernden zu überfordern oder zu verletzen?
Zwischen Ängsten und Klischees
„Die meisten Menschen fühlen sich im Umgang mit Trauernden eher hilflos und sagen daher lieber nichts. Befürchtungen wie ‚Mache ich es schlimmer?‘ oder ‚Bringe ich sie zum Weinen?‘ stehen einer offenen Kommunikation im Wege“, weiß Monika Allen, Trauerbegleiterin beim Hospizverein Wiesbaden Auxilium e.V. „Viele denken immer, sie müssten Trauernde sofort trösten und ihnen gute Ratschläge geben. Das A und O aber ist, ihnen aufmerksam zuzuhören und die schlichte Botschaft: ‚Ich bin da, wenn du reden möchtest‘. Das vermittelt Halt.“ Aufmunterungen seien zwar gut gemeint, gingen aber an den Bedürfnissen der Betroffenen vorbei, so Allen: „Trauern ist ein Prozess, der Raum und Zeit braucht. Aufheiterungsversuche können Menschen, die innerlich leiden, eher verletzen.“
Monika Allen Palliativ Care Pflegekraft, Koordinatorin und Trauerbegleiterin Hospizverein Wiesbaden Auxilium e.V.
Sie rät, Gespräche anzubieten, aber nicht aufzuzwingen oder per se auszuschließen. Sprüche wie „Sie wollen bestimmt nicht darüber reden“ bedienen Klischees und signalisieren dem oder der Betroffenen, dass sein bzw. ihr Thema zu schwer und daher unerwünscht ist. Manche Trauernde möchten reden, andere nicht. Beides sei in Ordnung, so Allen.
Authentische Ansprache, ehrliche Angebote
Von einem Satz wie „Du meldest dich einfach, ich bin immer für dich da“, rät Allen ab. „Zum einen verspricht man damit zu viel, weil niemand immer da sein kann. Zum anderen werden sich Trauernde selten selbst melden“, so die Erfahrung der Expertin. „Betroffene merken schnell, dass sich die Welt für die anderen viel schneller dreht als für sie selbst. Und dann fühlen sie sich als Ballast.“
Umso wichtiger sei es, dass man aktiv auf sie zugeht und immer mal wieder ein Zuhören anbietet. Man kann sagen, „Du, wollen wir zusammen Mittag essen?“ oder „Wollen wir mal zehn Minuten rausgehen?“ Damit erneuere man sein Angebot und sein Interesse am anderen, rät Allen. Schweigen oder jemandem aus dem Weg gehen dagegen schaffe nicht nur Distanz, sondern mache die Trauernden meist noch trauriger. Auch sie muss sich in der Trauerbegleitung immer wieder vorantasten, um eine Vertrauensbasis zu finden.
„Wer nicht weiß, was er sagen soll, kann mit einem schlichten ‚Es tut mir leid‘ oder ‚Ich finde keine Worte – aber ich denke an dich‘ sein Beileid und seine Empathie ausdrücken. Das ist authentischer“, so Allen. Das größte Geschenk sei nicht ein Satz, der alles leichter macht, sondern die ehrliche Bereitschaft, gemeinsam das Schwere auszuhalten.
Der richtige Umgang mit Trauernden
Dos:
ehrlich Anteil nehmen („Es tut mir leid“)
signalisieren, dass Gespräche möglich, aber nicht verpflichtend sind
praktische Hilfe anbieten (Dienst tauschen, Schichten übernehmen)
geduldig sein – Trauer kennt keinen festen Zeitplan.
Don’ts:
Floskeln benutzen („Kopf hoch, das schaffst du schon“, „Die Zeit heilt alle Wunden“)
Erwartungen formulieren („Du musst wieder stark sein“)
Gespräche erzwingen oder die Trauer kleinreden
ganz ausweichen, weil man sich unsicher fühlt
Jenseits von Bewertungen
Wichtig ist, Trauernde und ihren Verlust nicht zu bewerten oder ihre Reaktionen zu verurteilen, weder für die Tränen, noch für das Lachen. „Trauer verläuft nicht linear, sondern in Wellen“, erläutert die Trauerbegleiterin. „Phasen des Rückzugs und der Verzweiflung wechseln sich mit Phasen der Aktivität und Fröhlichkeit ab. Manchmal braucht es nur ein Wort – dann fließen die Tränen. Aber dann fängt man sich auch wieder und dafür braucht es eben Verständnis“, so Allen.
Wenn Eltern sterben, dann hat man seine Wurzeln verloren. Wenn ein Partner stirbt, ist derjenige, mit dem man zusammen gekocht und gelebt hat, mit dem man zusammen spazieren gegangen und verreist ist, von jetzt auf gleich weg. Wer noch nie getrauert hat, verstehe meist nicht, wie facettenreich der Verlust eines Menschen ist, so die Expertin. Man kann Trauer auch nicht gegeneinander aufwiegen oder bewerten, nach dem Motto: „Er war ja schon 70 und hat sein Leben gelebt“ oder „Du musst weniger traurig sein als jemand, der sein Kind verloren hat.“
Präsenz und klare Strukturen
Auch feste Strukturen und verlässliche Abläufe geben Trauernden Sicherheit, wenn ihr inneres Fundament wackelt. Das kann bedeuten, praktische Unterstützung anzubieten, z. B. Aufgaben für sie zu übernehmen oder einen Dienst zu tauschen, falls es dem oder der Betroffenen hilft. Eine größtmögliche Flexibilität bei Schichten oder Pausen ist wichtig, damit sie sich bei Bedarf immer mal wieder aus dem Alltagsstress rausziehen können.
Monika Allen rät den anderen im Team, größtmögliche Präsenz zu zeigen und Platz zu schaffen für Rückzug, Gespräche und die Trauer: „Es geht nicht darum, die Trauer zu heilen, sondern ihr Raum zu geben, damit sie gelebt werden kann.“
Fazit: Trauer am Arbeitsplatz konfrontiert Teams mit Sprachlosigkeit und eigenen Ängsten. Doch wer offen, empathisch und ohne Erwartungsdruck reagiert und keine Floskeln verwendet, trägt dazu bei, dass Betroffene sich mitgenommen fühlen. Trauer darf Teil des Arbeitslebens sein und sie sollte genügend Raum im Kollegenkreis bekommen. Denn nur, wenn man diese Gefühle nicht verdrängt, kann das Team auch menschlich zusammenwachsen und stärker werden.