Vorübergehende Praxisschließung wegen Personalmangels: Keine Sprechstunden ohne MFA
Ina ReinschDer Personalmangel in Arztpraxen ist mittlerweile so groß, dass manche Ärztinnen und Ärzte vorübergehend schließen müssen. Doch wie setzen sie diese Maßnahme gegenüber den verbleibenden MFA arbeitsrechtlich um?
"Aufgrund von Personalmangel sind fachärztliche Untersuchungen limitiert“, meldet aktuell eine Arztpraxis aus Rheinland-Pfalz. Eine Hausarztpraxis im Schwäbischen musste wegen Personalmangels ebenso schließen wie eine Kinderarztpraxis in der bayerischen Ammerseeregion. Wer MFA verliert, schafft es derzeit kaum, die Stellen in absehbarer Zeit nachzubesetzen. Kommen dann noch Schwangerschaften oder längere Krankheiten im Team hinzu, ist es für Ärztinnen und Ärzte kaum noch möglich, den Praxisbetrieb aufrechtzuerhalten. Dann gibt es manchmal keinen anderen Ausweg, als die Praxis vorübergehend dichtzumachen – mit allen Konsequenzen.
Wer die Hoffnung hat, dass sich das Personalproblem in absehbarer Zeit löst, kann darüber nachdenken, für kurze Zeit Betriebsferien anzuordnen. Grundsätzlich sollen Arbeitnehmer ihren Urlaub zwar frei planen können. Doch Zwangsurlaub ist dann zulässig, wenn
dringende betriebliche Belange vorliegen, die gegenüber den Urlaubswünschen des Arbeitnehmers Vorrang haben,
der Arbeitgeber eine ausreichende Ankündigungsfrist einhält und
ein wesentlicher Teil des Urlaubs für die Arbeitnehmer frei planbar bleibt. Die Rechtsprechung hält es für richtig, wenn etwa zwei Fünftel des Jahresurlaubs frei planbar sind.
Ebenfalls möglich ist es, gemeinsam mit den verbleibenden Kräften eine andere, individuelle Lösung zu finden, beispielsweise eine unbezahlte Freistellung der MFA oder den Einsatz des ganzen Jahresurlaubs, um einige Wochen zu überbrücken. Darauf haben Praxischefs allerdings keinen Anspruch, dies funktioniert nur im gegenseitigen Einvernehmen.
Ist die geplante Schließzeit zu lang, um Betriebsferien anzuordnen, und findet sich keine einvernehmliche Lösung mit dem restlichen Team, stellt sich die dringende Frage, ob Ärztinnen und Ärzte bei einer zeitweisen Schließung der Arztpraxis die Gehälter der verbleibenden Mitarbeitenden weiterzahlen müssen. Das hängt davon ab, wer das Betriebsrisiko trägt. Nach der sogenannten Betriebsrisikolehre trägt grundsätzlich der Arbeitgeber das Risiko, den Betrieb aufrechtzuerhalten und die Gehälter zu bezahlen. Das gilt für alle Störungen, die aus der betrieblichen Sphäre stammen und die weder vom Arbeitgeber noch vom Arbeitnehmer zu vertreten sind. Es ist die Kehrseite der unternehmerischen Tätigkeit.
Denkbare Fälle sind hier zum Beispiel eine Unterbrechung der Energieversorgung oder ein Einbruch in die Arztpraxis, bei dem die komplette Ausstattung entwendet wird. In diesen Fällen behält der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Lohn, auch wenn er nicht arbeitet.
Allerdings gibt es hiervon Ausnahmen, nämlich dann, wenn die Existenz des Betriebs gefährdet ist. Die das Arbeitsverhältnis beherrschende Treue- und Fürsorgepflicht kann es dann rechtfertigen, dass Arbeitnehmer einen Teil des Risikos mittragen. Allerdings erkennt die Rechtsprechung solche Fälle kaum an.
Ist Kurzarbeit die Lösung?
Letztlich sollten Ärzte über das Thema Kurzarbeit nachdenken. Dafür muss ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegen, dieser muss auf wirtschaftlichen Ursachen oder einem unabwendbaren Ereignis beruhen. Der Arbeitsausfall muss zudem vorübergehend und unvermeidbar sein. Unvermeidbar bedeutet, dass der Arbeitsausfall nicht branchenüblich sein darf, etwa aufgrund saisonaler Schwankungen. Zunächst müssten die Mitarbeitenden Überstunden- und Arbeitszeitkonten abbauen und Minusstunden einbringen, soweit dies arbeitsrechtlich zulässig ist. Der Praxisinhaber muss zudem zuvor wirtschaftlich zumutbare Gegenmaßnahmen ergreifen und beispielsweise die Überbrückungszeit für Verwaltungsaufgaben nutzen. Praxisinhaber, die in einer solchen Situation Kurzarbeit in Erwägung ziehen, sollten sich von der Agentur für Arbeit beraten lassen.
So groß ist der MFA-Mangel
2 % beträgt die Arbeitslosenquote unter MFA.
76 Tage vergehen im Durchschnitt, bis eine freie Stelle ab dem frühest möglichen Eintrittstermin nachbesetzt werden kann.