Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Strafrecht

Dass es immer wieder auch Ärzte gibt, die versuchen Abrechnungen zu ihren Gunsten zu manipulieren, ist ein offenes Geheimnis. Die strafrechtlich relevante Handlung ist normalerweise die Abrechnung von nicht erbrachten Leistungen. In der Regel werden die geschönten Abrechnungsdaten an Versicherungen oder Kassen übermittelt, die aufgrund der Täuschung davon ausgehen, dass die abgerechnete Leistung korrekt ist, und sie deshalb bezahlen. Dieser Irrtum über das Vorliegen einer Zahlungspflicht ist nach deutschem Strafrecht elementar, um einen Betrug bejahen und bestrafen zu können.    

Doch wie ist ein Arzt zu belangen, der zwar falsche Angaben zu seinen Leistungen macht, aber keinen Irrtum hervorruft, weil er nicht den Sachbearbeiter einer Versicherung täuscht, sondern lediglich einen Computer mit unzutreffenden Daten füttert?

In der Coronapandemie im großen Stil Impfungen abgerechnet

Diese Frage beschäftigte vor Kurzem das Landgericht Nürnberg-Fürth. Im konkreten Fall ging es um einen Arzt, der im Verdacht steht, während der Coronapandemie im großen Stil Impfungen abgerechnet zu haben, die nie stattgefunden haben. Der Mediziner, der als Impfarzt in verschiedenen Impfzentren tätig war, nutzte das Online-Angebot „Meine KVB“, um seine Leistungen abzurechnen. Dieses Portal erforderte die Eingabe von Daten zu den durchgeführten Impfungen, einschließlich Zeit und Ort der Leistungserbringung. Die Eingabemaske enthielt einen Hinweis zur Wahrheitspflicht und ein Bestätigungsfeld, das der Arzt aktivieren musste, bevor er die Abrechnung einreichen konnte.

Eine inhaltliche Prüfung der Angaben durch die Kassenärztliche Vereinigung erfolgte nicht. Vielmehr rechnete die Körperschaft die über das Portal eingereichten Anträge monatlich ab, indem sie die von den teilnehmenden Ärzten eingegebenen Daten automatisch in eine Abrechnungssoftware übertrug und entsprechend honorierte. Ein lohnendes Geschäft, nicht nur für redliche Teilnehmer: Im konkreten Fall wird dem Impfarzt vorgeworfen, auf diese Weise 641.467,47 Euro für nicht erbrachte Vakzinationen abgerechnet zu haben.

Das Landgericht Nürnberg-Fürth hatte nun als Erstes zu klären, wie der Arzt strafrechtlich zu belangen ist – und ließ eine Anklage wegen Computerbetruges zu (Urteil vom 09.04.2024, Az. 12 KLs 112 Js 10426/22).

Dieser Straftatbestand ist in § 263a des Strafgesetzbuches (StGB) geregelt. Zwar lässt sich ein Computer nicht wie ein Mensch täuschen. Allerdings liegt in der Zusicherung wahrheitsgemäßer Angaben das strafrechtliche Äquivalent einer Täuschung. In dem Moment, in dem der Arzt den vorgeschalteten Button anklickte, um seine wahrheitsgemäße Datenangabe zu bestätigen, manipulierte er die Datenverarbeitungsvorgänge. Damit beging er einen Computerbetrug und muss nun mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder mit einer Geldstrafe rechnen.

Berufsrechtliche Konsequenzen für Arzt

Neben dem strafrechtlichen Verfahren drohen dem Arzt zudem Sanktionen nach dem Berufsrecht, denn auch die Landesärztekammern können schmerzhafte Geldbußen verhängen oder, in besonders schweren Fällen, die Approbation entziehen. Vertragsärztinnen und -ärzte riskieren durch ein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten überdies, dass die Kassenärztliche Vereinigung ihnen die Zulassung entzieht.

Fehlverhaltensbekämpfung

Seit rund zwanzig Jahren sind die Krankenkassen verpflichtet, Fehlverhalten im Gesundheitswesen aktiv zu verfolgen. Die Fehlverhaltensbekämpfung betrifft Unregelmäßigkeiten oder rechtswidrige Nutzung von Finanzmitteln im Zusammenhang mit den Aufgaben der Kranken- und Pflegekassen. Schwerpunkte sind die Bekämpfung von Abrechnungsbetrug und Korruption im Leistungsbereich. Der AOK-Bundesverband gab vor Kurzem in seinem Fehlverhaltensbericht an, dass die elf AOK in den Jahren 2022 und 2023 Schäden in Höhe von 42,8 Millionen Euro erfolgreich zurückfordern konnten – ein Plus von 21 Prozent im Vergleich zum vorherigen Berichtszeitraum.

Ina Reinsch

Ina Reinsch

Stellvertretende Ressortleiterin Wirtschaft, ARZT & WIRTSCHAFT
Ina Reinsch ist Wirtschaftsredakteurin bei ARZT & WIRTSCHAFT und Rechtsanwältin. In ihrer Arbeit beschäftigt sie sich schwerpunktmäßig mit Medizinrecht, Arbeitsrecht, Strafrecht und Wirtschaftsthemen für Ärztinnen und Ärzte.
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