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Onkologie

Im Januar hat die Lancet Diabetes & Endocrinology Commission eine differenziertere Klassifikation von Adipositas vorgeschlagen, die auf dem metabolischen Gesundheitszustand basiert und nicht nur auf dem Body-Mass-Index (BMI). Eine von Forschern der Universität Regensburg durchgeführte epidemiologische Studie hat diese Klassifikation post hoc auf über 459.000 Erwachsene der UK-Biobank-Studie angewendet und gezeigt, dass Adipositas das Krebsrisiko bereits erhöht, bevor klinische Störungen der Stoffwechsel- und Organfunktion wie Insulinresistenz oder Fettleber auftreten. 

Studienergebnisse: Präklinische und klinische Adipositas erhöhen das Krebsrisiko

Von den eingeschlossenen Teilnehmern hatten nach den Kriterien der Lancet Diabetes & Endocrinology Commission 67 Prozent keine Adipositas, 20 Prozent präklinische Adipositas, definiert als Überschuss an Körperfett ohne nachweisbare metabolische oder organfunktionelle Störungen, und 13 Prozent klinische Adipositas, also Übergewicht in Kombination mit Organfunktionsstörungen oder Mobilitätseinschränkungen. In einer durchschnittlichen Nachbeobachtungszeit von knapp zwölf Jahren wurden in der UK-Biobank-Studie 47.060 Krebsfälle registriert. Die Wissenschaftler analysierten insgesamt 28 Krebsarten, zu denen mindestens 100 Fälle aufgetreten waren.

Personen mit präklinischer Adipositas hatten der Studie nach bereits ein signifikant erhöhtes Krebsrisiko. Es fanden sich, verglichen mit Probanden ohne Adipositas, positive Assoziationen für elf Krebsarten in verschiedenen Organsystemen, darunter dem Verdauungstrakt, dem Reproduktionssystem, den Harnwegen und dem endokrinen System. 

Bei Personen mit klinischer Adipositas war das Krebsrisiko noch höher. Hier fanden sich Assoziationen mit zwölf Krebsarten; stärker waren sie insbesondere bei metabolisch bedingten Tumoren wie hepatozellulären Karzinomen, Gebärmutterkörper-, Darm- und Bauchspeicheldrüsenkrebs. Auch mit Lungenkrebs fand sich für klinische Adipositas eine positive Assoziation – für nur über den BMI definierte Adipositas dagegen eine negative.

Umgekehrt fanden die Wissenschaftler für das nicht tödliche Prostatakarzinom eine inverse Assoziation mit sowohl präklinischer als auch klinischer Adipositas, was nach Interpretation der Autoren auf einen unterschiedlichen zugrunde liegenden Mechanismus hindeute.

Relevanz für Prävention und Risikostratifizierung bei Krebs

Insgesamt war präklinische Adipositas für schätzungsweise 5,5 Prozent und klinische Adipositas für 4,3 Prozent der Fälle der von den Krebsforschungsorganisationen IARC oder WCRF als Adipositas-assoziiert eingestuften Krebsarten in der UK Biobank verantwortlich. Bezogen auf alle Krebsarten waren es 1,8 beziehungsweise 1,7 Prozent der Fälle.

„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Adipositas die Krebsentstehung bereits vor klinisch messbaren Veränderungen antreibt“, erläutert Prof. Michael Leitzmann, Erstautor der Studie. Die Ergebnisse unterstreichen laut der Autoren, dass sowohl ein Überschuss an Körperfett als auch metabolische Folgestörungen zur Krebsentstehung beitragen. 

Die Assoziation zwischen präklinischer Adipositas und Krebsrisiko unterstreiche die Notwendigkeit einer frühen Risikoidentifizierung. Die noch stärkere Assoziation mit klinischer Adipositas, insbesondere bei metabolisch bedingten Krebsarten, sei ein weiterer Beleg für die Rolle von Organdysfunktionen bei der Steigerung der Karzinogenese. Die feinere Unterteilung der Adipositas könnte die Stratifizierung auch des Krebsrisikos verbessern und gezielte Präventionsstrategien unterstützen, so das Fazit der Forschenden.

Vielfältige Verbindungen

Mechanistisch besteht zwischen Adipositas und Krebs über verschiedene Pathways eine Verbindung, z. B. den Lipidmetabolismus, Insulinresistenz, chronische Inflammation und Adipokin-Dysregulation. Zu den subklinischen Effekten eines Fettgewebsexzesses, die die Tumorgenese fördern könnten, zählen erhöhte Spiegel an Leptin, TNF-α, IL-6 und Östrogen.

Quelle:

Leitzmann MF et al. eClinicalMedicine 2025;83:103247