Ärzteverbände fordern Ende der Betrugsvorwürfe gegen die Ärzteschaft
Marzena SickingÄrzteverbände reagieren empört auf die Betrugsvorwürfe gegenüber der Ärzteschaft in Zusammenhang mit dem morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich. Sie sehen darin ein Ablenkungsmanöver der Krankenkassen.
Im Zuge der anstehenden Reform des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs (Morbi-RSA) wird über die Versuche einiger Krankenkassen diskutiert, durch Manipulationen der Codierungen höhere Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds zu erhalten. In diesem Zusammenhang haben einzelne Kassenvertreter versucht, die gegen sie erhobenen Vorwürfe auf die Ärzteschaft abzulenken. Das führt berechtigterweise zu Unmut unter den Ärzteverbänden.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der Deutsche Hausärzteverband fordern in einer offiziellen Stellungnahme deshalb ein sofortiges Ende dieser Betrugsvorwürfe gegenüber Ärztinnen und Ärzten. Der Hartmannbund, der Spitzenverband der Fachärzte Deutschlands, der NAV-Virchow-Bund sowie MEDI GENO Deutschland unterstützen diese Forderung und zeigen sich gleichfalls empört über die Vorwürfe.
Ärzte zur Dokumentation möglichst vieler Diagnosen ermuntert?
Im Oktober 2016 hatte Dr. Jens Baas, Vorsitzender der Techniker Krankenkasse, in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung darauf verwiesen, dass zwischen den Krankenkassen ein Wettbewerb entstanden sei, wer es schaffe, die Ärzte zum Dokumentieren möglichst vieler Diagnosen zu bringen. Im Zuge der sich hieraus ergebenden Untersuchungen wurde mit dem „Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung“ (HHVG) den Krankenkassen verboten, zusätzliche Vergütungen nur für Codierungen zu zahlen. Mit der anstehenden Reform des Risikostrukturausgleichs wurde nun wiederholt der Vorwurf seitens einiger Krankenkassen laut, Ärztinnen und Ärzte seien für die vorgeworfenen Manipulationen mitverantwortlich.
„Es ist dringend notwendig, das jetzige System des Risikostrukturausgleichs zu reformieren“, sagt Dr. Hofmeister. „Es lädt offenbar einige Krankenkassen dazu ein, nicht mehr den Patienten und seine Versorgung im Vordergrund zu sehen, sondern ausschließlich schlechte oder gute Versicherungsrisiken.“
„Es mag ja sein, dass einige Krankenkassen versucht haben, Einfluss auf die Codierungen der Ärzte zu nehmen – Jens Baas hatte hier ja alle Krankenkassen, auch die eigene, der Manipulation bezichtigt. Dass nun aber die Ärzteschaft für dieses betrügerische Vorgehen beschuldigt wird, ist ungeheuerlich“, so Weigeldt. „Versuche der Krankenkassen, zu manipulieren, müssen unterbunden werden. Das unterstützen wir. Allerdings verwahren wir uns entschieden dagegen, dass dies auf dem Rücken der gesamten Ärzteschaft geschieht.“
„Die Krankenkassen haben ein Interesse an den Zuweisungen aus dem Morbi-RSA und nicht die Ärzte. Wir verbitten uns, in diesem Verteilungskampf, den die Krankenkassen untereinander führen, die Ärzte des Betrugs zu bezichtigen und weisen diese Vorwürfe auf das Schärfste zurück“, stellen Dr. Stephan Hofmeister, Vorstand der KBV, Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes, Dr. Klaus Reinhardt, Vorsitzender des Hartmannbundes, Dr. Dirk Heinrich, Vorstandsvorsitzender des Spitzenverbandes der Fachärzte Deutschlands und Bundesvorsitzender des NAV-Virchow-Bundes, sowie Dr. Werner Baumgärtner, Vorstandsvorsitzender von MEDI GENO Deutschland, in einer offiziellen Erklärung gemeinsam klar.