Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Arzthaftungsrecht

Fünf Jahre dem Beginn der Corona-Krise ist die Aufarbeitung des kollektiven Ausnahmezustandes in Deutschland noch lange nicht abgeschlossen. Politiker und Wissenschaftler diskutieren nach wie vor, welche der damaligen Maßnahmen auch rückblickend sinnvoll waren.

Auch die Justiz muss sich weiterhin mit dem Thema befassen. So etwa in einem Fall, der vor Kurzem das Oberlandesgericht (OLG) Leipzig beschäftigte. Im Fokus des Verfahrens stand – wie so oft – ein Arzt. Dennoch war der Fall besonders. Denn es ging weder um einen Streit über Corona-Schutzmaßnahmen, die 3-G-Regel oder das Für und Wider der Impfung. In diesem Verfahren sah sich der Praxischef stattdessen mit einer Schadenersatzklage wegen Verletzung der Schweigepflicht konfrontiert.

Attest nennt Krankheit des Jungen

Geklagt hatte der Vater eines damals elfjährigen Jungen. Der Mann wollte seinen Sohn seit März 2020 nicht mehr am Präsenzunterricht in der Schule teilnehmen lassen. Um dies zu rechtfertigen, ließ er das Kind in einem MVZ untersuchen, um eine entsprechende Bescheinigung zu erhalten. Tatsächlich stellte man dem Jungen dort sowohl im Mai und als auch im September 2020 ein Attest aus, wonach er aufgrund eines sinubronchialen Syndroms nicht am Unterricht teilnehmen durfte.

Beide Bescheinigungen legte der Vater in der Schule vor, um das Fernbleiben seines Sohnes vom Unterricht zu entschuldigen. Dort allerdings machten sich die Verantwortlichen Sorgen. Nachdem der Junge monatelang dem Präsenzunterricht ferngeblieben war und auch sonst kaum Kontakt zur Außenwelt hatte, schaltete die Schule das Jugendamt ein.

Jugendamt verlangt Auskünfte zum Gesundheitszustand des Patienten

Der Sachbearbeiter der Behörde sah im Rahmen des Verfahrens auch die vom Vater des Jungen vorgelegten Atteste ein. Um sich ein besseres Bild der Lage machen zu können, wandte sich der betreffende Mitarbeiter zudem an das MVZ und ersuchte den behandelnden Arzt um Auskünfte zum Gesundheitszustand des kleinen Patienten. Dabei wies er darauf hin, dass der Arzt verpflichtet sei, der Behörde die gewünschten Informationen zu erteilen.

Der Leiter des MVZ kam diesem Ersuchen nach. In einem Schreiben ans Jugendamt erläuterte er nicht nur das Krankheitsbild des Jungen, sondern teilte dem Sachbearbeiter auch seine Einschätzung des Sachverhaltes mit: Danach sei die Erkrankung des Kindes nicht schwerwiegend genug, um einen Schulbesuch zu verbieten.

Vorlage eines Attests bei Dritten entbindet Arzt von Schweigepflicht

Als das Jugendamt den Vater mit dieser Aussage konfrontierte, eskalierte die Situation und der Mann verklagte den Arzt wegen Verletzung der Schweigepflicht. Allerdings verlor er den Rechtsstreit in allen Instanzen.

Das Oberlandesgericht Dresden betonte in seiner Entscheidung zugunsten des Arztes, dass dieser gegenüber dem Jugendamt die Daten des Jungen hatte offenbaren dürfen, ohne damit seine Schweigepflicht zu verletzen. Dadurch, dass der Vater des minderjährigen Patienten der Schule das Attest vorgelegt hatte, um die krankheitsbedingte Abwesenheit zu entschuldigenhabe er den Arzt damit auch von seiner Schweigepflicht entbunden. Ein Verstoß gegen geltendes Recht sei daher ebenso zu verneinen wie Ersatzansprüche des Kindes (Oberlandesgericht Dresden, Az. 4 U 852/24).

Warum (Kinder)-Ärzte diese Entscheidung kennen sollten

Das OLG Dresden betont, dass die Vorlage eines Attestes als Beleg für eine Entschuldigung regelmäßig auch bedeutet, dass der Arzt von seiner Schweigepflicht entbunden ist. Diese umfasst ebenso weitere in die Behandlung einbezogene Ärzte eines medizinischen Versorgungszentrums. In einer konkreten Gefährdungssituation sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jugendamtes zudem berechtigt, bei behandelnden Ärzten Daten zu erheben. Auch dann stellt die Weitergabe von Gesundheitsdaten durch den Arzt keine Verletzung der Schweigepflicht dar, für die der Arzt belangt werden könnte.

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