Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Klinik

Weniger Bürokratie für Ärzte, Pflege-  und Verwaltungspersonal, gezieltere Diagnosen aufgrund umfassender Patientendaten und dadurch letztlich höhere Behandlungsqualität: Dass digitale Technologien die Gesundheitsversorgung in Deutschland besser und effizienter machen können, ist theoretisch unbestritten. Der Gesetzgeber hat darauf mittlerweile in verschiedenen Bereichen regulatorisch reagiert.

In der praktischen Umsetzung jedoch mangelt es aus den unterschiedlichsten Gründen häufig an der nötigen Effizienz. So bemängelte die von der Bundesregierung eingesetzte Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) in ihrem Jahresgutachten 2022 „massive Defizite“ in der Digitalisierung des Gesundheitswesens. Die Potenziale für eine personalisierte Diagnostik und Therapie, die sich beispielsweise aus der Verknüpfung umfassender Gesundheitsdaten mit modernen Analyseverfahren ergeben, würden hierzulande „verschenkt“.

Als Gründe dafür werden unter anderem fehlende Standards für das Zusammenspiel unterschiedlicher IT-Systeme, ein Wirrwarr an Akteuren mit unterschiedlichen Verantwortlichkeiten, aber auch rechtliche Unklarheiten und Akzeptanzprobleme bei Patienten mit Blick auf den Datenschutz genannt.

Innovatives Modell für mehr als 100 Einrichtungen

Ein aktuelles Beispiel zeigt allerdings, dass innovative Modelle der Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Beteiligten auch sehr anspruchsvolle Konzepte zum Erfolg führen können. In diesem Projekt, das zu den größten IT-Initiativen im deutschen Gesundheitssektor zählt, bauen 56 bayerische Krankenhausträger mit insgesamt über 100 Einrichtungen ein gemeinsames Patientenportal mit digitalem Aufnahme-, Behandlungs- und Entlassungsmanagement sowie eine interoperable Datenplattform für ihre rund 1,6 Millionen Patienten auf.

Diese Lösung reduziert den Aufwand für die Patienten entlang der sogenannten „Patientenjourney“ und gestaltet gleichzeitig für die Kliniken die Abläufe während einer ambulanten oder stationären Behandlung wesentlich effizienter. Ergänzend lassen sich beispielsweise Schnittstellen für die Nachsorge außerhalb der Krankenhäuser realisieren, um den Heilungsprozess zu beschleunigen.

Koordiniert wurde das Projekt von der Klinik-Kompetenz-Bayern eG (KKB) und der Bayerischen Krankenhausgesellschaft e.V. (BKG).    

Systematisches Vorgehen bei der Analyse der Bedürfnisse

Zu Beginn des Projekts im Sommer 2022 wurde systematisch analysiert, welche Bedarfe die unterschiedlichen Krankenhausträger haben und wie sich diese sinnvoll bündeln lassen. Auf dieser Grundlage wurde ein Vergabeverfahren mit entsprechenden IT-Rahmenvereinbarungen konzipiert, das insbesondere die Inanspruchnahme von Fördermitteln aus dem Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) und natürlich wesentliche Funktionalitäts- und Sicherheitsanforderungen berücksichtigte.

Um bei der Auswahl der Dienstleister möglichst flexibel bleiben zu können und gleichzeitig alle vergaberechtlichen Anforderungen zu erfüllen, schrieb das Konsortium die IT-Systemlösung einerseits und den laufenden Betrieb des Rechenzentrums andererseits gesondert aus. Mit den Unternehmen, die sich als Bieter an dem Vergabeverfahren beteiligt hatten, wurden anschließend umfangreiche Verhandlungen geführt.

Für die Umsetzung des IT-Projekts wurde schließlich ein eigenes sogenanntes Shared-Service-Center gegründet, das als zentrale Projektmanagementorganisation (PMO) die einzelnen Krankenhausträger bei der Implementierung unterstützt.

Erfolgsfaktoren Kooperation, Innovation und Organisation des Projekts

Der Erfolg dieses Projekts beruht im Wesentlichen auf drei Faktoren: der Schaffung einer starken Verhandlungsposition, dem Mut zum Betreten rechtlichen und fachlichen Neulands und dem Aufbau einer effektiven Organisation.

Was die Verhandlungsposition betrifft, so stellen einzelne Kliniken oder auch Klinikverbünde für die etablierten IT-Anbieter eher marginale Umsatzpotenziale dar. Außerdem sind sie den Bietern in aller Regel auch hinsichtlich der fachlichen Expertise unterlegen. Im vorliegenden Fall jedoch führte die Bündelung von Einkaufsvolumen und extern hinzugezogener Kompetenz dazu, dass die Projektbetreiber auf Augenhöhe verhandeln und ihre fachlichen, wirtschaftlichen sowie vertraglichen Vorstellungen in erheblichem Umfang durchsetzen konnten.

In rechtlicher Hinsicht bestand eine zentrale Herausforderung darin, das innovative Konzept einer Rahmenvereinbarung zu entwickeln, die einerseits die Bedarfe von 56 Krankenhausträgern bündelt und andererseits weiterhin die Förderfähigkeit sicherstellt.

Auf organisatorischer Ebene schließlich gelang es trotz der großen Anzahl beteiligter Krankenhausträger, Gremienentscheidungen in den einzelnen Verfahrensschritten zeitnah herbeizuführen und eine effiziente und pragmatische Arbeit der Projektgruppe sicherzustellen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Kombination aus Ressourcen und Kompetenzen aller beteiligten Partner für die Planung und Durchführung eines derart komplexen Projekts Lösungsansätze ermöglichte, zu denen wohl keiner der Auftraggeber allein in der Lage gewesen wäre.

Der Autor

Dr. Felix Siebler ist Partner im Münchner Büro der internationalen Anwaltskanzlei Watson Farley & Williams. Er ist spezialisiert auf Verwaltungs-, Vergabe- und Beihilferecht.

Quelle:

Watson Farley & Williams

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