Warum Vertragsärzte ihre Fortbildungen penibel nachweisen müssen
Judith MeisterDie Fortbildungspflicht gemäß § 95d SGB V ist für viele Kollegen (zumindest in Teilen) eine lästige Zusatzbelastung. Mit Blick auf die drohenden Konsequenzen bei einem Verstoß sollten Vertragsärzte aber peinlich darauf achten, alle gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen.
Der Vertragsarzt ist verpflichtet, sich in dem Umfang fachlich fortzubilden, wie es zur Erhaltung und Fortentwicklung der zu seiner Berufsausübung in der vertragsärztlichen Versorgung erforderlichen Fachkenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten notwendig ist.“ Und weiter: Er „hat alle fünf Jahre gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung den Nachweis zu erbringen, dass er in dem zurückliegenden Fünfjahreszeitraum seiner Fortbildungspflicht (...) nachgekommen ist“.
So normiert § 95d SGB V die Fortbildungspflicht für Vertragsärzte – und regelt auch gleich, wie Kollegen bei Verstößen zu bestrafen sind: „Erbringt ein Vertragsarzt den Fortbildungsnachweis nicht oder nicht vollständig, ist die Kassenärztliche Vereinigung verpflichtet, das an ihn zu zahlende Honorar aus der Vergütung vertragsärztlicher Tätigkeit für die ersten vier Quartale, die auf den Fünfjahreszeitraum folgen, um 10 vom Hundert zu kürzen, ab dem darauf folgenden Quartal um 25 vom Hundert.“ Wie strikt diese Vorgaben umgesetzt werden, belegen zwei aktuelle Urteile.
Fehler gehen zulasten des Arztes
Im ersten Fall, mit dem sich das Sozialgericht (SG) Düsseldorf zu befassen hatte, ging es um einen Arzt, der bei einem MVZ angestellt war. Die KV hatte ihn zweimal daran erinnert, dass er bis 30. Juni 2019 noch Fortbildungspunkte nachweisen musste. Der Mann übermittelte diese zwar erst am 6. Juli 2019, dennoch bestätigte die KV im Nachgang, dass er seine Nachweispflicht nun erfüllt hatte. Im Oktober 2019 reichte der Arzt zudem eine Kopie einer Teilnahmebescheinigung bei einer punktebewehrten Tagung im Jahr 2018 ein. Die KV reichte dieses Dokument ebenfalls an die Ärztekammer Nordrhein weiter, die im Dezember 2019 die Fortbildungspunkte bestätigte.
Drei Monate später erhielt der Arzt jedoch einen Bescheid der KV, wonach dem MVZ das durch ihn erwirtschaftete Honorar für das Quartal III/2019 um 11.725 Euro gekürzt werde. Das Argument: Der Mann habe bis Fristende keine ausreichenden Nachweise über seine Fortbildungen erbracht. Hiergegen klagte der Arzt – und verlor. Dabei verwies das SG Düsseldorf auf den eindeutigen Wortlaut des Gesetzes, wonach es für die Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben „auf den Zeitpunkt des Nachweises“ ankomme, nicht hingegen darauf, ob die erforderlichen Fortbildungen fristgerecht absolviert wurden.
Selbst wenn der Ärztekammer – wie hier – bei der elektronischen Verarbeitung der Fortbildungspunkte ein Fehler unterlaufe, entlaste dies den Arzt nicht. Er sei „selbst dafür verantwortlich, zu prüfen, ob alle Fortbildungspunkte zum Stichtag berücksichtigt sind“ (SG Düsseldorf, Az. S 51 KA 491/20).
Ähnlich erging es einem Facharzt für Innere Medizin und Pneumologie, der vor dem Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg gegen eine Honorarkürzung vorgegangen war. Auch er hatte von seiner KV eine Mitteilung erhalten, dass er bis zum 31. Juli 2017 ein Fortbildungszertifikat der Landesärztekammer vorlegen müsse, um die geforderten 250 Fortbildungspunkte nachzuweisen.
Als er diese Frist nicht wahrte, kürzte die KV das Honorar für das erste Quartal 2018 um 12.011 Euro. Der Arzt klagte und argumentierte, er habe im Februar 2017 und damit pünktlich seinen Fortbildungsnachweis vorgelegt. Dies sei jedoch nicht in Form des geforderten Zertifikats erfolgt. Stattdessen habe er einen Auszug der Fortbildungspunkte der Ärztekammer übermittelt. Danach habe er sogar die doppelte Zahl der geforderten Punkte erreicht.
Zudem führte er aus, dass die Frist zur Vorlage des Fortbildungsnachweises falsch berechnet sei. Er habe die Praxis, in der er zuvor angestellt gewesen sei, Anfang 2015 übernommen, sodass die fünfjährige Fortbildungsfrist neu beginne. Vor dem LSG hatte der Internist damit aber keinen Erfolg.
Vorgaben des Gesetzes sind wörtlich zu nehmen
Das Gericht führte zunächst aus, dass ein Wechsel aus einer Anstellung zum Praxischef den Lauf der Fünfjahresfrist zur Vorlage des Fortbildungsnachweises nicht unterbreche.
Unerheblich sei es auch, inwieweit der Arzt seiner Fortbildungspflicht innerhalb der Fünfjahresfrist tatsächlich nachgekommen ist oder ob er diese sogar übererfüllt hat. Maßgebliches Kriterium sei vielmehr, dass der Nachweis über die Fortbildung rechtzeitig erbracht werde. Dies habe der Gesetzgeber so entschieden und insoweit aus Praktikabilitätsgründen ausdrücklich die Vorlage eines Zertifikats verlangt (LSG Baden-Württemberg, Az.: L 5 KA 3215/22).
Beide Entscheidungen zeigen, wie wichtig es ist, die gesetzlichen Vorgaben des § 95d SGB V genau zu erfüllen. Elementar ist es dafür nicht nur, ausreichend Fortbildungen zu absolvieren. Als Beleg für die gesammelten Fortbildungspunkte ist auch zwingend ein Zertifikat der zuständigen Ärztekammer erforderlich.
Dieses wird nach den geleisteten Fortbildungsstunden aber keineswegs automatisch erstellt, sondern muss von den betreffenden Ärzten selbstständig und rechtzeitig beantragt werden. Denn für die Sanktionen der KV ist es unerheblich, ob der Arzt das Fristversäumnis selbst verschuldet hat oder nicht.
Wichtig ist zudem, dass der erste Fünfjahreszeitraum mit der Aufnahme der Tätigkeit als niedergelassener, ermächtigter oder angestellter Arzt in der vertragsärztlichen Versorgung beginnt. Ist die Zulassung zum Beispiel mit Wirkung zum 1. Mai 2025 erfolgt, beginnt ab diesem Zeitpunkt auch der Nachweiszeitraum. Der sich anschließende Fünfjahreszeitraum läuft dann automatisch ab 1. Mai 2030.
Vorausschauend planen
Verlängern lässt sich der Nachweiszeitraum nur ausnahmsweise: Ruht die Zulassung, ist der Nachweiszeitraum ohne Antrag automatisch für die Dauer des Ruhens unterbrochen. Bei anderen Unterbrechungen (Krankheit oder Elternzeit) können Vertragsärzte eine Verlängerung beantragen, wenn sie länger als drei Monate nicht praktizieren. Hierzu sollten sie aber frühzeitig (einen gut dokumentierten) Kontakt mit der jeweiligen KV aufnehmen, um Missverständnisse und vor allem eine Kürzung des Honorars zu vermeiden.
Drakonische Strafen für Fortbildungsmuffel
Die Fortbildungspflicht nach § 95d SGB V soll gewährleisten, dass Vertragsärzte stets die bestmögliche Behandlung für ihre Patienten anbieten können. Bleibt ein Vertragsarzt den Nachweis über seine Fortbildungsstunden schuldig oder reicht er die geforderten Zertifikate nicht rechtzeitig ein, muss die KV das Honorar sofort nach Ablauf der Nachweisfrist zusammenstreichen. In den ersten vier Quartalen nach Ende des Nachweiszeitraums sind Kürzungen von zehn Prozent vorgesehen. In den darauffolgenden Quartalen mindert sich das Honorar sogar um 25 Prozent.
Wichtig: Auch wenn die Fortbildungen nachgeholt werden, gibt es keine Rückzahlung des zuvor gekürzten Honorars. Fehlt der Nachweis über die Fortbildung auch zwei Jahre nach Ablauf des Fünfjahreszeitraums, soll die KV sogar die Entziehung der Zulassung beantragen.
Gefahr für Praxischefs
Kommt ein angestellter Arzt der Fortbildungspflicht nicht nach, wird stets das Honorar des Praxisinhabers gekürzt. Insoweit empfiehlt es sich auch aus Sicht des Arbeitgebers, Fortbildungen und deren rechtzeitigen Nachweis anzumahnen. Denkbar ist es zudem, für solche Fälle sauber formulierte Rückzahlungsklauseln in den Arbeitsvertrag aufzunehmen.
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