Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Praxis
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Ein Blick auf ein Stimmungsbild im Auftrag des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) zeigt deutlich: Die Zahl der Praxisabgaben dürfte in nächster Zeit stetig steigen. Denn nur etwa jeder zweite Niedergelassene plant, die Praxis bis zum altersbedingten Übergang fortzuführen. 20 Prozent der Befragten planen hingegen einen vorzeitigen Ruhestand, während 14 Prozent ihre eigene Niederlassung aufgeben möchten, um sich in einer anderen Praxis oder einem MVZ anstellen zu lassen. Der restliche Teil (14 %) möchte seinen Standort entweder in eine Privatpraxis umwandeln oder sich nach beruflichen Alternativen umsehen.    

Aber auch wegen der Altersstruktur der niedergelassenen Ärzteschaft ist in den kommenden Jahren mit vermehrten Praxisabgaben zu rechnen. Von den derzeit 108.202 Ärzten mit eigener Praxis sind laut Ärztestatistik der Bundesärztekammer 42 Prozent mindestens 60 Jahre alt (Stand: 31.12.2023).

In jeder Praxisübergabe steckt auch eine nicht zu unterschätzende emotionale Komponente, da sich Niedergelassene von ihrem Lebenswerk verabschieden, das sie über die Jahrzehnte aufgebaut haben. Sie haben oftmals ganze Generationen versorgt und medizinisch begleitet, dadurch haben sie auch eine besondere Bindung zu ihren Patientinnen und Patienten. Dementsprechend haben sie ein großes Interesse, ihre Patienten in gute Hände zu übergeben.

Erster Schritt: Exposé erstellen

Für eine strukturierte Praxisabgabe ist es wichtig, genügend Zeit einzuplanen. Drei bis fünf Jahre vor der Abgabe sollten Praxisinhaber mit der Planung aktiv werden. So können alle rechtlichen, finanziellen und organisatorischen Aspekte vollumfänglich geklärt werden. Den Anfang einer sorgfältig geplanten Praxisabgabe macht in der Regel ein aussagekräftiges Exposé.

Das Praxisexposé beantwortet idealerweise die Frage, warum sich ein neu niedergelassener Arzt ausgerechnet für diese Praxis entscheiden sollte. Wichtige Kriterien sind zum Beispiel, wie die Praxis ausgestattet ist. In welchem Zustand sind die Möbel? Sind die Medizingeräte modern und gut in Schuss? Aber auch das Verhältnis von privat und gesetzlich Versicherten im Patientenstamm, der Standort, die Verkehrsanbindung, die Parkplatzsituation und die örtliche Infrastruktur spielen eine Rolle.

Offenen oder geschlossenen Planungsbereich beachten

Ein weiterer wichtiger Punkt ist außerdem, die Bedarfsplanung unter die Lupe zu nehmen. Je nach Planungsbereich kann sich die Suche nach einem Nachfolger aufwendiger gestalten: In offenen Planungsbereichen können Ärztinnen und Ärzte ihre Praxis veräußern, ohne dass ein Ausschreibungsverfahren zu beantragen ist. Sie können ihre Praxis direkt an ihren Wunschnachfolger abgeben, bei dem sie auch ihre Patienten weiterhin gut versorgt wissen.

Liegt die abzugebende Praxis in einem Planungsbereich, der von Zulassungsbeschränkungen betroffen ist, kann die Übergabe nur durch ein Nachbesetzungsverfahren erfolgen. Den Antrag auf Nachbesetzung müssen abgebende Ärzte beim Zulassungsausschuss der zuständigen KV stellen. Dieser entscheidet dann, ob ein Nachbesetzungsverfahren durchgeführt wird. Er kann den Antrag ablehnen, wenn eine Nachbesetzung aus Versorgungsgründen nicht erforderlich ist. Dann erhalten Praxisabgebende eine Entschädigung in Höhe des Verkehrswertes der Arztpraxis von der KV.

Diesen Vorgang können Ärztinnen und Ärzte allerdings umgehen, wenn ihre Praxis von einem Nachfolger weitergeführt wird, der sich dazu verpflichtet, die Praxis in ein anderes Gebiet des Planungsbereichs zu verlegen, in dem ein Versorgungsbedarf besteht. Ausnahmen von einer Ablehnung der Nachbesetzung gibt es auch, wenn der Nachfolger einem bestimmten Personenkreis angehört. Laut § 103 SGB V zählen dazu:

  • Bewerbende, die mindestens fünf Jahre in einem unterversorgten Gebiet vertragsärztlich tätig waren;

  • Bewerbende, die Ehe- oder Lebenspartner oder ein Kind des bisherigen Vertragsarztes beziehungsweise der bisherigen Vertragsärztin sind;

  • Bewerbende, die seit mindestens drei Jahren als angestellter Arzt oder angestellte Ärztin bei dem bisherigen Vertragsarzt arbeiten. Oder Übernahmewillige, die seit mindestens drei Jahren gemeinschaftlich mit dem Abgabewilligen die Praxis betreiben.

Stimmt der Zulassungsausschuss einem Nachbesetzungsverfahren zu, dann spielen neben den bereits beschriebenen Personenkreisen folgende Kriterien mit hinein, wen der Zulassungsausschuss als Nachfolger auswählt: die berufliche Eignung, das Approbationsalter, die Dauer der ärztlichen Tätigkeit, ob der Bewerber bereit ist, besondere von der KV vorgegebene Versorgungsbedürfnisse zu erfüllen, Belange von Menschen mit Behinderung beim Zugang zur Versorgung und bei medizinischen Versorgungszentren die Ergänzung des besonderen Versorgungsangebots.

Praxisnachfolge mit Weitsicht: Das sind die Vorteile

Dies gilt entsprechend für Vertragsärzte und Berufsausübungsgemeinschaften mit einem besonderen Versorgungsangebot. Außerdem wird auch berücksichtigt, wie lange der Interessent schon auf der Warteliste der KV für diesen Planungsbereich steht.

Grundsätzlich kann der Vertragsarztsitz auch von einem MVZ übernommen werden und durch einen angestellten Arzt oder eine angestellte Ärztin weitergeführt werden, wenn aus Sicht der vertragsärztlichen Versorgung keine Gründe entgegenstehen.

Wichtig ist es auch, sich Gedanken darüber zu machen, in welcher Konstellation ein potenzieller Nachfolger die eigene Praxis weiterführen wird. So ist es beispielsweise denkbar, dass Niedergelassene einen angestellten Arzt oder eine Weiterbildungsassistenz in ihrer Praxis beschäftigen und schon lange im Voraus als Nachfolger aufbauen. Das Modell bietet einige Vorteile:

  • Praxisinhabern ermöglicht es einen sanften Ausstieg, da sie in einer Übergangsphase meist noch unterstützend in der Praxis tätig sind.

  • Der Nachfolger lernt das Team und die Praxisabläufe kennen und kann sich für die Übernahme des Vertragsarztsitzes einspielen.

  • Patienten und der neue Arzt beziehungsweise die neue Ärztin können sich miteinander vertraut machen.

Jobsharing: Option zur Praxisabgabe bei Zulassungsbeschränkung

Eine Kooperation, die auch in gesperrten Planungsbereichen die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass der Wunschkandidat die Praxis erhält, ist das Jobsharing-Modell. Beim Jobsharing teilen sich zwei Ärzte derselben Fachrichtung einen Arztsitz, was die ärztliche Berufsausübung auch in für Neuzulassungen gesperrten Planungsbereichen ermöglicht.

Dieses Praxismodell eignet sich daher auch zur schrittweisen Praxisübergabe in diesen Gebieten. Dabei sind zwei Varianten möglich: Der Ruhestandplaner stellt einen Arzt oder eine Ärztin an. Oder die Ärzte teilen sich als gleichberechtigte Partner einer Berufsausübungs­gemeinschaft einen Arztsitz. Eine solche BAG besteht aus einem Seniorpartner und einem Juniorpartner. Der Juniorpartner erhält eine beschränkte Zulassung abhängig vom Seniorpartner. Die Beschränkung wird nach zehn Jahren aufgehoben oder wenn der Planungsbereich entsperrt wird.

Nach drei Jahren wird der Juniorpartner bei einer bevorstehenden Praxisnachfolge bevorzugt. Das bestätigt die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein auf Anfrage und beruft sich hierbei auf § 103 Abs. 3a Satz 3 SGB V. Der zuständige Zulasssungsausschuss muss das Jobsharing genehmigen. Jobsharing kann für Praxisinhaberinnen und -inhaber auch aus wirtschaftlichen Überlegungen sinnvoll sein. Durch die geteilte Zulassung sinken die Umsätze nicht und die Praxis erleidet auch keinen Wertverlust – auch nicht, wenn der Praxisabgeber bei der ärztlichen Versorgung kürzertritt.

Generell empfiehlt es sich, mit entsprechendem Vorlauf ein Netzwerk an ärztlichen Kolleginnen und Kollegen aufzubauen und zu pflegen. Das erhöht die Chancen, neue Ärztinnen und Ärzte für die Praxisabgabe zu gewinnen. Hilfreich sind auch Inserate in Medien der KV, in regionalen Zeitungen und Praxisbörsen oder Annoncen auf Social Media.    

Alle Praxisverträge und -unterlagen zusammenstellen

Zur weiteren Vorbereitung sollten alle bestehenden Verträge geprüft werden. Welche will oder muss der Praxisnachfolger übernehmen und welche nicht? Wichtige Unterlagen sind insbesondere Versicherungen, Abrechnungen für Strom, Gas und Wasser sowie Leasing- und Mietverträge. Auch Arbeitsverträge, EDV und Softwareunterlagen sollten Sie bereithalten.

Neben den Verträgen können Praxisinhaber bereits den Wert ihrer gesamten Einrichtung ermitteln und sich auch darauf fokussieren, die Praxisräume bei Bedarf zu erneuern. Rückt der Abgabetermin in absehbare Nähe, sollte hier gemeinsam mit dem potenziellen Nachfolger die Renovierung eng abgestimmt werden.

Wer über die Praxisabgabe informiert werden muss

In erster Linie ist es entscheidend, den Patientenstamm mindestens drei bis vier Monate im Voraus, sobald die Praxisnachfolge feststeht, zu informieren. Die Praxisabgabe müssen Niedergelassene zudem auch verschiedenen Stellen melden. Dazu zählt allen voran die entsprechende KV, aber auch das Finanzamt, die Ärztekammer sowie das Versorgungswerk und die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege müssen informiert werden. Sind die Weichen gestellt, müssen auch verschiedene rechtliche Aspekte bei der Praxisabgabe beachtet werden, damit sie rechtssicher und wirtschaftlich erfolgen kann.

Heiko Fekete

Heiko Fekete

Redakteur Wirtschaft, ARZT & WIRTSCHAFT
Heiko Fekete ist Wirtschaftsredakteur bei ARZT & WIRTSCHAFT und befasst sich mit Themen rund um wirtschaftliche Praxisführung.

heiko.fekete@medtrix.group

 

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